Im Falle von psychischen Erkrankungen wäre es das Eingeständnis, professionelle Unterstützung zu benötigen und sich dann auf die Suche nach einer passenden Therapieform und einem passenden Arzt und/oder Therapeuten zu begeben. Wer sich dazu durchgerungen hat, Hilfe in Anspruch zu nehmen, weiß, dass Angebot und Nachfrage sich nicht decken: Denn Therapieplätze sind in Deutschland rar gesät. Dr. med. Sabine Köhler, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aus Jena, gibt Tipps, wie Betroffene schneller an Hilfe gelangen.
Schneller Termin trotz Fachkräftemangels
Dr. Köhler bestätigt: „Wir haben leider in Deutschland zu wenig psychiatrische Fachärzt:innen. Diese Tatsache lässt sich auch nicht wegdiskutieren.“ Bei akuten Verdachtsfällen auf eine psychische Erkrankung wie beispielsweise einer Depression empfehle sie daher „den Hausarzt oder die Hausärztin einzubeziehen. Manchmal können sie aufgrund ihrer regionalen Netzwerke einen kurzfristigen Facharzttermin vermitteln. Auch einige Krankenkassen sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen unterstützen bei der Arzt- und Terminsuche.“ So können die Barrieren für die Inanspruchnahme der vorhandenen Hilfsangebote möglichst geringgehalten werden.
Kurzzeitintervention als mögliche Alternative
Welche Therapieform dann für den jeweiligen Betroffenen in Frage kommt, hängt von der Schwere der Erkrankung, der Lebenssituation und der persönlichen Präferenz ab. „In Deutschland werden sowohl die Kosten für eine Verhaltenstherapie als auch die Kosten für eine Systemische oder Tiefenpsychologische Therapie bzw. Psychoanalyse von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen,“ erklärt Dr. Köhler. „Eine Psychotherapie ist oft sehr langfristig ausgelegt. Da die Plätze bei den spezialisierten Therapeut:innen begrenzt sind, biete ich meinen Patient:innen, die in der Regel akute Unterstützung benötigen, meist auch eine Kurzzeitintervention an, die je nach Bedarf 6-12 Stunden, oft auch weniger Stunden, umfasst.“ Psychotherapeutische Kurzzeitinterventionen sind eine Form der Krisenintervention, die eine schnelle Besserung bei akuten, psychischen Krisen herbeiführen und den Betroffenen stabilisieren soll.
Ambulante, teilstationäre oder stationäre Angebote
Die Diagnose einer Depression „sollte in der Regel ambulant erfolgen und auch die Behandlung kann ambulant durchgeführt werden. Ambulant bedeutet in der Praxis der Fachärztin oder des Facharztes, bei Psychotherapeut:innen (nicht-medikamentöse Therapie) oder in der Ambulanz einer Psychiatrischen Klinik“, erklärt Dr. Köhler.
Für einige Patient:innen kann es jedoch sinnvoll sein, ihre häusliche Umgebung, die oft mit vielen Pflichten und Belastungen verbunden ist, zu verlassen. „Hier sind Klinikaufenthalte oder Tagestherapien, die inzwischen von vielen Kliniken angeboten werden, eine gute Option. Für Erkrankte mit einer schweren Depression, die trotzdem ambulant behandelt werden möchten, können wir zusätzlich eine ambulante psychiatrische Pflege oder Soziotherapie verordnen. Hier kommen Sozialpädagog:innen mit einer speziellen Zusatzausbildung zu den Patient:innen, unterstützen sie bei der Organisation ihres Alltags und versuchen, gemeinsam mit den Betroffenen und dem familiären Umfeld kraftraubende Stressfaktoren zu reduzieren. Leider steht dieses Angebot in Deutschland bisher noch nicht flächendeckend zur Verfügung.“
Wegweiser durchs System – Empfehlungen der Expertin
- Eine Verdachtsdiagnose sollte immer von einer Fachärztin oder einem Facharzt abgeklärt werden.
- Nutzen Sie das Netzwerk Ihrer Hausärztin oder Ihres Hausarztes. Diese können manchmal schneller einen Facharzttermin organisieren.
- Auch andere Institutionen wie Krankenkassen oder Kassenärztliche Vereinigungen bieten Unterstützung.
Die Indikation für eine tagesklinische oder stationäre Behandlung muss von einer Ärztin oder einem Arzt gestellt werden. Insbesondere Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. Nervenärzte haben dafür eine hohe Expertise und können zu allen Behandlungsoptionen beraten. Dies umfasst medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlungswege sowie alle Varianten ambulanter und stationärer Versorgung.
Haben Sie Geduld, wenn die ersten Therapieversuche nicht sofort anschlagen. Es gibt auch für eine sog. „therapieresistente“ Depression gute Behandlungsmöglichkeiten. Besprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, welches die beste Option für Sie persönlich ist.
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