Da
das deutsche Team den Startplatz eins gelost hatte, war Julia Krajewski
mit Nickel auch gleich die erste Starterin. Der Fanfarenbläser, der die
Reiterspiele eröffnete, war noch nicht ganz fertig, da wurde Krajewski
schon ins Stadion gelassen. Glücklicherweise behielt der Holsteiner die
Nerven, ebenso wie seine Reiterin, als zwar die Glocke schon ertönte,
aber der Countdown-Zähler noch nicht ansprang. 45 Sekunden Zeit haben
Pferd und Reiter normalerweise zwischen Klingeln und Einreiten. „Ich
hatte mir das genau ausgetüftelt“, sagte Krajewski später. „Und dann kam
ich gerade so herum und rein. Ich glaube, da war die Richterin
schneller als das Organisationsteam. Aber dann dachte ich mir, los
jetzt, ist jetzt egal.“ Die richtige Entscheidung, denn den beiden
gelang im entscheidenden Moment eine persönliche Bestleitung: 26,9
Minuspunkte – „Die sind so als erster Starter schon ganz solide“, sagte
Krajewski und lobte ihr Pferd: „Er will ja immer alles richtig machen.
Selbst wenn er sich mal nicht ganz sicher ist, wie in der Ecke bei C, da
hat er ein bisschen reingeluschert. Aber machte trotzdem den Wechsel
gut und hört trotzdem auf mich, was ganz ganz viel wert ist.“
Auf
Krajewski folgte als zweiter deutscher Starter Christoph Wahler. Seine
Vorstellung von Carjatan S ließ sich glanzvoll an, nur im Mittelschritt
wollte der Schimmel plötzlich los. „Ich kenne das Pferd jetzt so lange
und es kann mal passieren. Ich kann es auch in dem Moment nicht ändern.
Ich habe aufgehört mir Vorwürfe zu machen, wenn es passiert. Er war hier
die ganzen Tage ultra entspannt." Er sei auch während der restlichen
Aufgabe weitgehend bei ihm gewesen: Nur manchmal ist er halt
‚fröhlich‘“, sagte Wahler, der seinen ersten Auftritt bei OIympischen
Spielen mit 29,4 Minuspunkten abschloss. "Ich würde sagen, mit 29
Punkten geht die Welt nicht unter, das ist alles im Rahmen. Wenn du hier
gewinnen willst, muss du besser sein, glaube ich. Das ist mir jetzt
nicht gelungen, aber als Mannschaft stehen wir immer noch gut da und wir
haben alle Chancen der Welt. Und ich glaube, wir haben den weltbesten
Reiter, den es gibt, in unseren Reihen und der war noch nicht dran. Also
heißt es, man muss erstmal abwarten",
Das
Warten lohnte sich tatsächlich, denn Michael Jung und der Hannoveraner
Chipmunk FRH wurden ihrer Favoritenrolle gerecht. Mit einer gemeinsamen
Bestleistung von 17,8 Minuspunkten blieb das Paar lediglich Hunderstel
hinter der bis zuletzt führenden Mannschaftsolympiasiegerin und
-europameisterin Laura Collett aus Großbritannien (17,5 Minuspunkte).
"Chipmunk war fantastisch zu reiten heute, er war so bei mir, so
kraftvoll, hat sich groß gemacht und trotzdem so eine Ruhe ausgestrahlt,
das war fantastisch. Das Ergebnis und das Gefühl sind ja immer etwas
unterschiedlich, aber ich bin sehr zufrieden und sehr happy, wie er
gegangen ist“, sagte Jung.
Mit der
Dressur hat die Vielseitigkeit aber gerade erst ihren Anfang genommen.
Am morgigen Sonntag geht es für Pferde und Reiter auf den Geländeritt,
wo sie auf 5.149 Metern 28 Hindernisse erwarten. Zu der meistgestellten
Frage des Tages gehörte die nach dem Geläuf, denn wie schon bei der
Eröffnungsfeier zeigte sich das Wetter am ersten Wettkampftag nicht von
der besten Seite. Definitiv beantworten konnte die Frage aber keiner,
denn bisher hat noch niemand die Strecke unter solchen Bedingungen
getestet. „Vom Gefühl her glaube ich, dass der Boden ziemlich perfekt
wird. Am Anfang, wo ich abgelaufen bin, war er schon an manchen Stellen
noch hart. Ich glaube, dass der Regen dem Boden gut getan hat. Wie die
Struktur unter der Oberfläche ist, weiß ich natürlich nicht. Hier sind
ja noch nicht so viele Pferde durch den Park galoppiert, insofern wird
das ein bisschen Überraschung – aber es ist ja für alle gleich. Aber ich
bin sehr zuversichtlich, dass es eine fantastische Prüfung wird
morgen“, sagte Michael Jung.
fn-press