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Olympia Paris 2024: Michael Jung führt nach Geländeritt

Großbritannien führt vor Frankreich und Japan

Nach einer verregneten Dressur zeigte sich der Schlosspark von Versailles am Geländetag der olympischen Vielseitigkeit von seiner besten Seite. Bei strahlendem Sonnenschein kam der von Parcourschef Pierre de Goupil konzipierte Geländekurs passend zur Geltung. Auf 5.149 Metern verteilten sich 28 optisch wunderschöne Hindernisse beziehungsweise Hinderniskomplexe, die idealerweise in einer Zeit von 9:02 Minuten zu bewältigen waren. 

Für die deutschen Teilnehmer, Betreuer und Fans wurde der Geländetag allerdings zu einer Achterbahn der Gefühle. Los ging es mit einer sicheren Runde von Julia Krajewski (Warendorf) und Nickel, die als allererste Starter bewiesen, dass sich der Kurs gut reiten lässt. Der zweite deutsche Teamreiter Christoph Wahler (Bad Bevensen) musste mit Carjatan S nach einem guten Anfang jedoch ausscheiden, was das zuvor gut platzierte Team im Ranking deutlich zurückwarf. Für dennoch gute Laune sorgte am Ende des Tages Michael Jung (Horb), der sich dank einer souveränen Nullrunde mit Chipmunk FRH die vorläufige Spitzenposition in der Einzelwertung vor der Britin Laura Collett mit London und dem Australier Christopher Burton mit Shadow Man sichern konnte. In der Teamwertung behaupteten die Briten mit 82,5 Minuspunkten ihre Spitzenposition aus der Dressur vor Gastgeber Frankreich (87,2). Auf den dritten Platz rückte etwas überraschend das japanische Team (93,80) vor.

„Es fing super an, Julia und Nickel hatten eine tolle Runde, genau wie geplant. Doch die Mannschaft ist geplatzt, die 200 Strafpunkte werden uns aus den Medaillen rauswerfen und deswegen kann ich nicht nur strahlen“, fasste Bundestrainer Peter Thomsen den Tag zusammen. „Die Medaille ist futsch. Aber Michi und Chipmunk haben hier wie immer brilliert, eine Traumrunde! Chipmunk ist mit gespitzten Ohren über die Hindernisse geflogen und jetzt wollen wir mal hoffen, dass uns das Glück wieder hold wird.“ 

Tatsächlich war Jung und seinem Hannoveraner Chipmunk FRH (v. Contendro I) eine souveräne Nullrunde gelungen. Nur 8:55 Minuten benötigen sie für den Ritt um und über den Grand Canal und über die Hindernisse. „Unglaublich. Es hat einfach nur Spaß gemacht“, sagte Jung, auch begeistert über die rund 40.000 Zuschauer (mehr waren nicht zugelassen), die die Strecke säumten und jedes Paar bejubelten. „Das war eine unglaubliche Kulisse heute", so Michael Jung. Schon während seines Rittes zeigte er einmal die Siegerfaust – nachdem er den Tiefsprung mit Graben dahinter (Hindernis 16) bewältigt hatte. „Das war so ein bisschen die Klippe. Chipmunk ist normalerweise ein Pferd mit viel Energie, der gerne nach vorne galoppiert und nach vorne springt. Ich kenne ihn mittlerweile gut und wusste, ich muss ganz vorsichtig an die Kante ran, habe versucht, die Balance zu halten. […] Wir sind super über den Graben gesprungen und das so zu fühlen, mit dem ganzen Druck von außen, das war nur Freude pur", erklärte Jung diese Reaktion. 

Genau an diesem Sprung hatte es zuvor Christoph Wahler „erwischt“. Was genau passiert war, konnte er selbst kaum erklären: „Es ist schwer zu sagen, um ehrlich zu sein. Er springt eigentlich die Kante genauso runter, wie ich es erhofft hatte - und ich muss sagen, dass er vorher fantastisch ging. Ich hatte an keinem Sprung das Gefühl gehabt, das heute etwas ‚schiefgehen‘ kann. Und dann kommen wir die Stufe runter, eigentlich auch genau mit der Distanz, die ich erhofft hatte, dass es drei kurze Galoppsprünge werden, dann ist er irgendwie mit dem Hinterbein in den Graben gekommen und das hat den Galoppsprung dann so unterbrochen, dass ich aus dem Sattel geschubst wurde.“ Beide kamen jedoch mit dem Schrecken davon. "Er ist zum Glück nicht gefallen, hat sich nicht weh getan, ist gut drauf. Das ist das Wichtigste und dem gilt unsere erste Sorge. Ich selbst habe es kaum gemerkt – der schlimmste Knacks ist jetzt eher der mentale", sagte Wahler. Aufgrund des olympischen Sonderreglements können Wahler und Carjatan S weiter am Wettkampf teilnehmen - allerdings müssen sie die Verfassungsprüfung bestehen und starten auch nur noch fürs Team.

Für einen gelungenen Auftakt hatte am Vormittag Julia Krajewski als erste Starterin gesorgt. Die Titelverteidigerin war ganz kurzfristig mit ihrem Aachen-Sieger Nickel ins Team nachgerückt und musste als erste deutsche Teamreiterin nicht nur als Erste auf dem Viereck, sondern auch ins Gelände. Mit ihrer sicheren Runde bewies sie allen nachfolgenden Reitern, wie gut sich der Kurs reiten lässt. Lediglich 4,8 Strafpunkte gab es zum Dressurergebnis für die Zeitüberschreitung: 31,7 Minuspunkte – Platz 14. „Ich bin abnormal stolz auf Nickel. Mal wieder ein Step mehr, und er hat einfach gemacht!“, sagte sie. „Er war fit bis zum Schluss, wir waren nur ein paar Sekunden drüber. Allerdings, wenn ich vorher mehr Tempo draufgepackt hätte, wäre er am Ende vielleicht müder gewesen und ich hätte das nicht so durchgaloppieren können.“ 

„Julia war atemberaubend gut. Sie hat hier auch einen Stilgeländeritt zelebriert mit einem jungen Pferd. Sie hat die Sprünge perfekt geritten. Sie hat die Kräfte des Pferdes super eingeteilt. Ich bin mega stolz auf die beiden. Das Pferd hat es herausragend gelöst“, schwärmte Bundestrainer Thomsen über die Nachrücker. 

Und wie geht es jetzt weiter? Thomsen: „Am Ende sind wir im Wettkampf. Das heißt, wir gucken uns die Pferde an, wir werden das Thema Springen besprechen, wir werden uns auf die verschiedenen Szenarien vorbereiten. Wir werden auch nochmal den Tag Revue passieren lassen, aber am Ende geht es weiter bis morgen Abend. Und es ist immer das Gleiche: Nicht nachlassen, voll nach vorne gucken. Was passiert ist, das steht auf dem Zettel, aber morgen sieht der Zettel wieder anders aus und morgen Abend nochmal anders aus. Und das ist unsere Aufgabe, da das bestmögliche Ergebnis zu präsentieren.“

Foto: (c) Stefan Lafrentz / Michael Jung und Chipmunk FRH übernehmen die Führung.

fn-press/Hb