Am Donnerstag hatte sie in ihrem olympischen Achtelfinale nach 46 Sekunden aufgegeben, danach waren die Tränen geflossen - nun erhält die italienische Boxerin Angela Carini vom skandalumwobenen Weltverband International Boxing Association (IBA) das gleiche Preisgeld, das die Organisation für die Olympiasiegerin vorsieht. Der Grund: Carinis Gegnerin Imane Khelif.
Um Khelif ist spätestens seit ihrem Blitzsieg eine wilde Debatte entbrannt. Von der IBA war sie bei der WM im vergangenen Jahr disqualifiziert worden, weil sie die "Teilnahmebedingungen" nicht erfüllt habe. Das soll ein nicht weiter spezifizierter Geschlechtertest ergeben haben. Für die Olympischen Spiele war die Algerierin vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) aber zugelassen worden - denn die IBA ist wegen zahlreicher Skandale ausgeschlossen und nicht für die Organisation der Boxwettkämpfe in Paris zuständig.
Trotzdem hält der Weltverband an seinen Überzeugungen fest und belohnt Carini nun mit einem Preisgeld von insgesamt 100.000 US-Dollar, von dem die Hälfte an die Athletin selbst und die andere Hälfte anteilig an ihren Trainer und ihren nationalen Verband fließen sollen. "Ich konnte mir ihre Tränen nicht ansehen", wird IBA-Präsident Umar Kremlew in einer Verbandsmitteilung zitiert.
"Ich bin nicht gleichgültig in solchen Situationen", sagte Kremlew, "ich kann versichern, dass wir jede Boxerin schützen werden. Ich verstehe nicht, warum sie das Frauenboxen töten. Ausschließlich geeignete Athletinnen sollten der Sicherheit wegen im Ring gegeneinander antreten."
Kremlew kündigte zudem an, auch die Usbekin Sitora Turdibekowa unterstützen zu wollen. Sie hatte am Freitag ihren Kampf in der Klasse bis 57 kg gegen die Taiwanesin Lin Yuting verloren. Lin war von der IBA im Vorjahr aus den gleichen Gründen wie Khelif disqualifiziert worden.
Omar Khelif, Vater der im Blickpunkt stehenden Boxerin, versicherte derweil im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP: "Mein Kind ist ein Mädchen. Ich habe sie erzogen, hart zu arbeiten und mutig zu sein." Khelif kämpft am Samstag (17.22 Uhr) gegen die Ungarin Anna Luca Hamori in der Klasse bis 66 kg um eine Medaille. Lin Yuting hätte mit einem Sieg gegen die Bulgarin Swetlana Kamenowa Stanewa am Sonntagvormittag Bronze sicher.
Die Zukunft des Boxens bei Olympia ist aufgrund der skandalträchtigen Vergangenheit der IBA offen. Ein Konkurrenzverband mit dem Namen World Boxing steht zwar bereit, doch ob die Sportart auch Teil der Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles sein wird, steht noch nicht fest.
SID
Kommentar: Ein Skandal, der das olympische Boxen erschüttert
Die jüngsten Ereignisse rund um die italienische Boxerin Angela Carini und ihre algerische Gegnerin Imane Khelif werfen ein grelles Licht auf die tiefgreifenden Probleme im olympischen Boxsport. Carinis dramatisches Aufgeben nach nur 46 Sekunden und die anschließende Tränenflut sind symptomatisch für ein System, das offensichtlich mehr durch Skandale als durch sportliche Fairness geprägt ist.
Die International Boxing Association (IBA) und ihr Präsident Umar Kremlew stehen im Zentrum dieser Kontroverse. Kremlews Entscheidung, Carini das gleiche Preisgeld wie der Olympiasiegerin zuzusprechen, mag menschlich nachvollziehbar sein, wirft aber auch Fragen nach der Integrität und den wahren Motiven der IBA auf. Die Disqualifikation von Imane Khelif bei der letzten Weltmeisterschaft aufgrund nicht spezifizierter Geschlechtertests und ihre Zulassung zu den Olympischen Spielen durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) zeigen die tiefe Kluft zwischen den verschiedenen Sportorganisationen.
Die Sicherheit und Fairness im Frauenboxen ist ein zentrales Anliegen, das nicht durch intransparente Entscheidungen und persönliche Vorlieben kompromittiert werden darf. Kremlews Aussage, dass ausschließlich geeignete Athletinnen im Ring gegeneinander antreten sollten, ist richtig, doch die Umsetzung dieser Richtlinie bedarf klarer und fairer Regeln, die für alle Beteiligten transparent sind.
Auch die Unterstützung der usbekischen Boxerin Sitora Turdibekowa durch die IBA zeigt die verworrene Lage. Die wiederholten Disqualifikationen von Athletinnen wie Khelif und Lin Yuting werfen Fragen zur Einhaltung und Kommunikation der Teilnahmebedingungen auf.
Die olympische Zukunft des Boxens steht auf dem Spiel. Mit der Gründung eines Konkurrenzverbands, World Boxing, scheint eine mögliche Lösung in Sicht, doch die Ungewissheit bleibt. Wird das Boxen Teil der Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles sein? Nur durch umfassende Reformen und eine Rückkehr zu den Prinzipien der Fairness und Transparenz kann der Boxsport seine Glaubwürdigkeit und seinen Platz bei den Olympischen Spielen sichern.
OZD
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