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Wegfall der Steuerklassen III und V könnte 67.000 Vollzeitstellen schaffen

Der Wegfall der Steuerklassen III und V könnte laut einer Ifo-Studie 67.000 neue Vollzeitstellen schaffen. Experten sehen weiteres Potenzial in Reformen des Steuer- und Sozialsystems, um den Arbeitskräftemangel zu mildern.

Der Wegfall der Steuerklassen III und V könnte in Deutschland zu einer erheblichen Steigerung der Beschäftigung führen. Experten des Münchener Ifo-Instituts haben in einer am Freitag veröffentlichten Studie berechnet, dass diese Reform rund 67.000 zusätzliche Vollzeitstellen schaffen könnte. "Durch Fehlanreize vor allem für Frauen und Ältere liegen bislang erhebliche Erwerbspotenziale brach," bemängeln die Forscher.

Die Bundesregierung hatte Ende Juli die Abschaffung der Steuerklassen III und V für Verheiratete beschlossen. Diese Änderung soll das seit langem kritisierte Ehegattensplitting ersetzen. Künftig werden Ehepartner anhand ihres individuellen Arbeitslohns besteuert, um eine gerechtere Verteilung der Lohnsteuerbelastung zu erreichen.

Doch das Ifo-Institut sieht noch weitreichenderes Potenzial in weiteren Reformen des Steuer- und Sozialsystems. "Das Steuer- und Abgabensystem in Deutschland kann definitiv so umgebaut werden, dass der Arbeitskräftemangel gemildert wird," erklärte Volker Meier vom Ifo-Institut.

Als mögliche Maßnahmen nennt die Studie einen Übergang vom Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting, das Ende der beitragsfreien Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie höhere Rentenabschläge bei Frührentnern. Besonders großen Beschäftigungsschub könnte zudem die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters von 67 auf 69 Jahre bringen.

Den Forschern zufolge steckt auch im Ausbau der Kinderbetreuung, vor allem in westdeutschen Großstädten, erhebliches Potenzial. Dort fehlt es besonders an Kita-Plätzen, was viele Frauen davon abhält, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

"Angesichts des Alterungsschubs und des Arbeitskräftemangels muss unser Steuer- und Sozialsystem konsequent Erwerbstätigkeit belohnen," betonte Meier. "Dabei kommt es auf jeden Beschäftigungsanreiz an: Ob Einstieg in die Erwerbstätigkeit, einige Wochenstunden mehr in der Teilzeitarbeit oder längeres, weil attraktiveres Arbeiten zur Rente hin - jede Wochenarbeitsstunde mehr zählt."

Insgesamt könnten die vorgeschlagenen Reformen laut der Ifo-Studie rund 1,2 Millionen Vollzeitstellen schaffen und damit den deutschen Arbeitsmarkt nachhaltig stärken.

Kommentar:

Eine Chance für mehr Beschäftigung – und mehr Gerechtigkeit

Die Studie des Ifo-Instituts zeigt eindrücklich, welches Potenzial in der Reform des Steuer- und Sozialsystems steckt. Der Wegfall der Steuerklassen III und V ist dabei nur der erste Schritt, um Deutschland auf den Arbeitskräftemangel vorzubereiten. Doch die vorgeschlagenen weiteren Maßnahmen, wie die Anhebung des Rentenalters oder das Ende der beitragsfreien Mitversicherung von Ehepartnern, werden sicherlich kontroverse Diskussionen auslösen.

Es ist wichtig, diese Reformen nicht nur durch die Brille der ökonomischen Notwendigkeit zu betrachten, sondern auch deren soziale Auswirkungen zu bedenken. Eine Anhebung des Rentenalters mag wirtschaftlich sinnvoll sein, doch wie wird dies von denjenigen empfunden, die bereits jetzt Schwierigkeiten haben, bis 67 zu arbeiten?

Gleichzeitig eröffnet die Reform der Steuerklassen die Möglichkeit, langjährige Fehlanreize zu beseitigen und mehr Gerechtigkeit in der Besteuerung zu schaffen. Dies könnte besonders für Frauen, die bislang häufig die finanzielle Last der Steuerklasse V trugen, eine positive Wende bringen.

Die Politik steht nun vor der Herausforderung, einen ausgewogenen Weg zu finden, der sowohl den Arbeitsmarkt stärkt als auch soziale Gerechtigkeit wahrt. Ein bloßer Fokus auf ökonomische Effizienz greift zu kurz.

Die OZD-Prognose:

In den nächsten Wochen dürfte die Debatte über die vorgeschlagenen Steuer- und Sozialreformen an Intensität gewinnen. Es ist zu erwarten, dass die Bundesregierung weitere Details zu möglichen Maßnahmen präsentiert, während Gewerkschaften und soziale Verbände sich verstärkt zu Wort melden werden.

OZD-Wissen to go:

Wer ist Volker Meier?

Volker Meier ist ein renommierter Wirtschaftsexperte am Ifo-Institut in München. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Fragen der Arbeitsmarktpolitik und Steuerreformen und hat zahlreiche Studien zur Verbesserung der Beschäftigungssituation in Deutschland verfasst.

Was ist das Ifo-Institut?

Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München gehört zu den führenden Wirtschaftsforschungsinstituten in Deutschland. Es analysiert wirtschaftliche Entwicklungen, erstellt Prognosen und berät die Politik in Fragen der Wirtschafts- und Steuerpolitik.

Titelbild: AFP