Die ukrainische Armee hat am Montag ihren Vormarsch in der russischen Grenzregion Kursk fortgesetzt und kontrolliert nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj mittlerweile mehr als 1250 Quadratkilometer feindliches Gebiet. "Unsere Streitkräfte haben in den letzten vier Tagen zehn weitere Ortschaften eingenommen," sagte Selenskyj in einer Ansprache in Kiew.
Seit dem überraschenden Vorstoß am 6. August kontrolliert die Ukraine Teile der Region Kursk, darunter die strategisch wichtige Stadt Sudscha, einen Knotenpunkt für Gaslieferungen nach Westeuropa. Es ist die größte grenzüberschreitende Offensive der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022.
"Unsere Soldaten erreichen ihre Ziele," erklärte Selenskyj weiter und hob die Bedeutung der Offensive für die Schaffung einer Pufferzone und den Druck auf Russland in Hinblick auf Friedensverhandlungen hervor. Bereits zuvor hatte der ukrainische Präsident den vollständigen Rückzug der russischen Armee von ukrainischem Staatsgebiet zur Bedingung für Verhandlungen gemacht.
Der Kreml schloss jedoch am Montag Gespräche mit Kiew kategorisch aus. "Angesichts dieser Eskapade werden wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht reden," erklärte Kremlberater Juri Uschakow. Der ukrainische Vorstoß habe die Aussicht auf Friedensverhandlungen in die Ferne gerückt. "Der Beginn möglicher Gespräche hängt von der Situation im Kampfgebiet ab," fügte Uschakow hinzu.
In den vergangenen Tagen hat die Ukraine zwei wichtige Brücken über den russischen Fluss Sejm zerstört, um Moskaus Nachschubwege in die Kampfzone zu unterbrechen. Eine dritte Brücke sei am Wochenende angegriffen worden, wie ein russischer Militärermittler in einem Video erklärte. Gleichzeitig meldete das russische Verteidigungsministerium die Vereitelung weiterer ukrainischer Angriffe in der Region Kursk.
Unterdessen meldeten russische Behörden nach einem ukrainischen Drohnenangriff auf die Stadt Proletarsk den Ausnahmezustand. 41 Feuerwehrleute wurden verletzt, 18 von ihnen schwer. "Die Russen erleben den Krieg nun hautnah," kommentierte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak die Situation.
Während die ukrainische Offensive in Russland weitergeht, setzen sich die Kämpfe auch in der Ukraine fort. Das russische Verteidigungsministerium gab am Montag die Einnahme einer weiteren Ortschaft in der umkämpften ostukrainischen Region Donezk bekannt. Gleichzeitig ordneten ukrainische Behörden die Evakuierung von Familien mit Kindern aus der strategisch wichtigen Stadt Pokrowsk an.
Präsident Selenskyj wird am Freitag den indischen Regierungschef Narendra Modi empfangen, der als enger Partner Russlands gilt. Modi hat bereits mehrfach seinen Wunsch geäußert, den Konflikt zu einem Ende zu bringen.
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Kommentar: Verhandlungen in weiter Ferne
Die jüngsten Entwicklungen in der Region Kursk verdeutlichen, dass Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland weiterhin außer Reichweite sind. Die ukrainische Offensive hat das politische und militärische Kalkül beider Seiten erheblich verändert, doch an der Front scheint keine Seite bereit, nachzugeben. Die Aussicht auf Gespräche wird dabei nicht nur von den territorialen und strategischen Zielen der Ukraine, sondern auch von der hartnäckigen Haltung Moskaus bestimmt, das weiterhin auf Maximalforderungen besteht.
Der russische Kreml scheint derzeit wenig Interesse an Verhandlungen zu haben, und die Ukraine sieht in ihrer Offensive die Chance, den Druck auf Russland zu erhöhen. Der Besuch des indischen Premierministers Modi könnte jedoch neue Dynamiken in den Konflikt bringen. Modi hat sich öffentlich für ein Ende des Krieges ausgesprochen und könnte eine Vermittlerrolle anstreben. Es bleibt abzuwarten, ob seine Bemühungen tatsächlich zu einer Deeskalation führen können.
Die OZD-Prognose
In den kommenden Wochen wird die Ukraine voraussichtlich ihre Offensive in der Region Kursk fortsetzen, während Russland versucht, die Kontrolle über die Situation zu behalten. Friedensgespräche werden weiterhin unwahrscheinlich bleiben, es sei denn, es kommt zu einem entscheidenden militärischen Durchbruch oder einer signifikanten Veränderung der internationalen politischen Landschaft.
OZD-Wissen to go
Wer ist Wolodymyr Selenskyj?
Wolodymyr Selenskyj ist der amtierende Präsident der Ukraine. Vor seiner politischen Karriere war Selenskyj als Schauspieler und Produzent bekannt. Er wurde 2019 zum Präsidenten gewählt und führt sein Land seit Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 durch eine der schwersten Krisen in der Geschichte der Ukraine.
Präsidentschaft der Ukraine Offizielle Website
Was ist der Kreml?
Der Kreml in Moskau ist das historische Zentrum der russischen Regierung und dient als offizielle Residenz des Präsidenten der Russischen Föderation. Er ist sowohl ein architektonisches Wahrzeichen als auch ein Symbol der politischen Macht in Russland.
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Bild: AFP / Handout / 24th Mechanized Brigade of of Ukrainian Armed Forces