Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen

Putins umstrittener Besuch in Beslan: Historische Wunden und neue Konflikte

Zum 20. Jahrestag der Geiselnahme in Beslan zieht Präsident Putin Parallelen zum aktuellen Ukraine-Konflikt und erneuert seine harte Rhetorik.

Anlässlich des 20. Jahrestags der blutigen Geiselnahme in einer Schule in Beslan hat der russische Präsident Wladimir Putin eine Parallele zwischen dem damaligen Angriff und dem gegenwärtigen Einsatz der ukrainischen Armee in der russischen Grenzregion Kursk gezogen. So wie Russland damals in Beslan "Terroristen bekämpft" habe, müsse es heute "diejenigen bekämpfen, die Verbrechen in der Region Kursk begehen", sagte Putin am Dienstag bei seinem Besuch in Beslan.

"Aber genau, wie wir unsere Ziele im Kampf gegen den Terrorismus erreicht haben, werden wir diese Ziele auch im Kampf gegen Neo-Nazis erreichen", fügte Putin mit Blick auf die ukrainische Regierung vor drei Frauen hinzu, die der Vereinigung Mütter von Beslan angehören. "Und wir werden die Verbrecher zweifellos bestrafen, daran kann es keinen Zweifel geben."

Putin legte rote Rosen an Denkmälern für die Opfer und die bei ihrem Einsatz in der Schule getöteten Soldaten nieder, wie der Kreml mitteilte. Anschließend begab er sich zu dem Schulgebäude, das am 1. September 2004 überfallen worden war. Es war das erste Mal, dass Putin, der damals bereits Präsident war, den Ort der Geiselnahme besuchte.

Tschetschenische Rebellen hatten bei der Geiselnahme in Beslan mehr als tausend Menschen in ihre Gewalt gebracht, unter ihnen hunderte Kinder. Bei der Erstürmung der Schule durch russische Sicherheitskräfte am 3. September 2004 wurden mehr als 330 Menschen getötet, unter ihnen 186 Kinder. Die Geiselnahme in der Kaukasusregion Nordossetien hatte sich inmitten eines Aufstands von islamistischen Tschetschenen ereignet, die für ein unabhängiges Tschetschenien kämpften und von Putin als "Terroristen" eingestuft wurden.

Putin und seine Regierung waren damals für ihre Reaktion auf die Geiselnahme kritisiert worden. Am Dienstag bemängelte die Organisation Mütter von Beslan, dass die Untersuchung zum genauen Ablauf der Geiselnahme nie abgeschlossen worden sei, wie ihre Co-Vorsitzende Aneta Gadijewa dem Nachrichtenportal "Agenztwo" sagte. Anders als Putins Äußerungen zur Ukraine wurde dieser Teil des Gesprächs nicht im russischen Fernsehen übertragen.

Gadijewa sagte, Putin habe den Müttern geantwortet, dass er nicht gewusst habe, dass die Untersuchung der Geiselnahme nicht abgeschlossen worden sei. Er kündigte demnach an, den Leiter des für die Aufklärung schwerer Straftaten zuständigen russischen Ermittlungskomitees zum Einschreiten aufzufordern.

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hatte den russischen Behörden 2017 "ernsthafte Versäumnisse" beim Umgang mit der Geiselnahme bescheinigt. Sie hätten nicht genug getan, um die Tat zu verhindern, und dann exzessiv Gewalt angewendet. In dem Urteil war Moskau aufgefordert worden, Maßnahmen zur Ergründung des tatsächlichen Tatablaufs zu ergreifen.

Im März 2024 wurde Russland von einer ähnlich schweren Gewalttat erschüttert. Bei einem Anschlag auf die Konzerthalle Crocus City Hall in einem Vorort von Moskau wurden 145 Menschen getötet. Zu der Tat bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).

Kommentar:

Überschrift: Beslan, Kursk und die gefährliche Rhetorik der Vergleiche

Der Vergleich zwischen der Geiselnahme in Beslan und dem aktuellen Konflikt in der Ukraine, den Wladimir Putin zieht, offenbart eine beunruhigende Rhetorik. Die Gleichsetzung von Terrorismus und einem militärischen Konflikt innerhalb der Ukraine trägt zur Eskalation bei und dient der Rechtfertigung von Gewalt. Es ist bedenklich, dass Putin die schmerzhaften Erinnerungen an Beslan nutzt, um seine Politik zu legitimieren. Zudem bleibt die Frage nach der Verantwortung und den Fehlern, die bei der Geiselnahme begangen wurden, weiterhin unbeantwortet. Diese Instrumentalisierung der Geschichte könnte das Vertrauen in die Regierung weiter untergraben.

Die OZD-Prognose:

In den kommenden Wochen könnte es zu einer weiteren Verschärfung der Rhetorik zwischen Russland und der Ukraine kommen. Es ist zu erwarten, dass die russische Regierung weiterhin historische Ereignisse nutzen wird, um ihre aktuellen militärischen Aktionen zu rechtfertigen.



OZD-Wissen to go:

Wer ist Wladimir Putin?

Wladimir Putin ist seit 1999 der führende Politiker Russlands und hat als Präsident und Ministerpräsident die Geschicke des Landes maßgeblich bestimmt. Bekannt für seine autoritäre Führung und seinen Einfluss auf die globale Politik, ist Putin eine zentrale Figur in den Konflikten um Russland.

Was ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist eine internationale Gerichtsbarkeit, die sicherstellt, dass die Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten des Europarats, einschließlich Russland, eingehalten werden.

OZD

Alle Angaben ohne Gewähr

Foto: Vladimir ASTAPKOVICH / POOL