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Staatsleistungen an Kirchen vor dem Aus? Ampel-Koalition plant mutigen Schritt

Die Ampel-Koalition plant einen Gesetzentwurf, um die Staatsleistungen an die Kirchen zu beenden – trotz Widerstand der Länder. Ein historischer Schritt, der auf eine Änderung der Beziehung zwischen Staat und Kirche abzielt.

Politiker der Ampel-Koalition arbeiten einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge an einem Gesetzentwurf, der das Ende der Staatsleistungen an die Kirchen vorsieht. Dieser Entwurf soll bereits im Herbst vorgelegt werden und wird so gestaltet, dass er ohne die Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten kann. Die Länder zeigen sich jedoch ablehnend gegenüber diesem Vorhaben.

Um die Zustimmung der Länderkammer zu umgehen, sollen die Vorgaben im Entwurf für das Ende der Staatsleistungen bewusst vage gehalten werden. "Es wird sicher kein Text, der Ländern abschließend die Form der Ablösung vorschreiben wird," erklärte der religionspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Castellucci, der Zeitung.

Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt, äußerte scharfe Kritik an einem möglichen Alleingang der Ampel-Koalition. "Es wäre dem deutschen Staatsaufbau angemessener, ein zustimmungspflichtiges Gesetz vorzulegen," sagte er gegenüber der "FAZ".

Die Staatsleistungen an die Kirchen sind eine historische Konsequenz der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts. Damals wurden kirchliche Güter und Gebiete enteignet, wodurch der Staat verpflichtet wurde, die Kirchen finanziell zu entschädigen. Seitdem fließen jährlich mehrere hundert Millionen Euro, um unter anderem Gehälter von Bischöfen und Pfarrern sowie den Erhalt von Kirchengebäuden zu finanzieren.

Das Grundgesetz schreibt in Artikel 140 vor, diese Leistungen abzulösen – eine Verpflichtung, die bereits in der Weimarer Reichsverfassung festgelegt wurde. Um dies umzusetzen, müsste der Bund einen gesetzlichen Rahmen schaffen, während die Länder individuelle Abmachungen mit den Kirchen treffen müssten.

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU), schlägt jedoch eine andere Lösung vor: die entsprechende Vorgabe aus dem Grundgesetz zu streichen. "Das Staat-Kirche-Verhältnis hat sich seit 1919 auch ohne Ablösung der Staatsleistungen gut eingespielt," argumentiert er und stellt die Frage, ob der Verfassungsauftrag nicht überholt sei.

OZD / ©AFP


OZD-Kommentar:

Kirchenfinanzierung: Zeit für eine Neuordnung

Die Diskussion um die Staatsleistungen an die Kirchen zeigt einmal mehr, wie schwierig es ist, historische Verpflichtungen mit modernen Anforderungen in Einklang zu bringen. Der Versuch der Ampel-Koalition, die Staatsleistungen zu beenden, ist mutig und notwendig, aber die Umgehung des Bundesrats könnte die Legitimität des Prozesses schwächen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Schritt tatsächlich zu einer Neuordnung des Staat-Kirche-Verhältnisses führen wird oder ob er die Gräben zwischen den politischen Ebenen vertieft.

OZD-Prognose:

In den nächsten Wochen wird die Debatte um die Staatsleistungen weiter an Intensität gewinnen. Während die Ampel-Koalition ihren Entwurf vorantreibt, dürften die Länder und Vertreter der Kirchen verstärkt Widerstand leisten. Die Auseinandersetzung könnte sich zu einer Grundsatzdebatte über das Verhältnis von Staat und Kirche entwickeln.

Biographien und Erklärungen:

Wer ist Lars Castellucci?

Lars Castellucci ist ein deutscher Politiker der SPD und religionspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er setzt sich insbesondere für die Trennung von Staat und Kirche sowie für religiöse Toleranz ein.

Was ist die Säkularisation?

Die Säkularisation bezeichnet die Enteignung kirchlicher Güter und die Verweltlichung von Kirchenbesitz, die Anfang des 19. Jahrhunderts stattfand. Sie führte zur Verpflichtung des Staates, die Kirchen finanziell zu entschädigen, was bis heute in Form der Staatsleistungen geschieht. Weitere Informationen finden Sie auf der Wikipedia-Seite zur Säkularisation.

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Foto: Ina FASSBENDER / AFP