Im ersten Halbjahr 2024 verzeichnete Großbritannien einen alarmierenden Anstieg bei den irregulären Einwanderern, die über den Ärmelkanal einreisen. Laut den neuesten Statistiken des Innenministeriums kamen zwischen Januar und Juni insgesamt 13.489 Migranten auf diesem gefährlichen Weg an – ein Rekordhoch. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg die Zahl um 18 Prozent, als noch 11.433 Menschen diesen riskanten Weg wagten.
Die offiziellen Zahlen belegen, dass 81 Prozent der irregulär eingereisten Migranten im ersten Halbjahr 2024 über den Ärmelkanal nach Großbritannien gelangten. Die Mehrheit dieser Migranten ist männlich, und etwa ein Fünftel von ihnen ist unter 18 Jahre alt. Die Hauptherkunftsländer sind Afghanistan (18 Prozent), der Iran (13 Prozent) und Vietnam (zehn Prozent).
Zusätzlich zeigt sich ein besorgniserregender Trend: Die Boote, die die Migranten transportieren, sind zunehmend überladen. Während im Zeitraum von Juni 2018 bis Juni 2019 durchschnittlich zehn Menschen pro Boot unterwegs waren, hat sich diese Zahl von Juni 2023 bis Juni 2024 auf durchschnittlich 51 Menschen pro Boot erhöht.
Die ehemalige konservative Regierung Londons hatte die Reduzierung der Einwanderung zu einem ihrer Hauptziele erklärt. Auch die seit Juli regierende Labour-Regierung verfolgt eine restriktive Einwanderungspolitik, auch wenn sie eine "menschlichere" Haltung angekündigt hat. Premierminister Keir Starmer stoppte die Pläne seiner Vorgänger, die illegal eingereisten Asylsuchenden nach Ruanda abzuschieben. Stattdessen wird die nationale Kriminalbehörde NCA mit hundert neuen Beamten verstärkt, um gegen Schleuserbanden vorzugehen. Zudem soll die Anzahl der Abschiebungen erhöht werden.
Gleichzeitig ist die legale Einwanderung nach Großbritannien stark zurückgegangen. Die unter Ex-Premier Rishi Sunak eingeführten strengeren Visavorschriften traten im April in Kraft, was trotz der bestehenden Fachkräftemängel im Gesundheitssektor zu einem merklichen Rückgang führte. Die verschärften Visa-Regeln wurden trotz massiver Kritik von Branchenverbänden beibehalten.
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OZD-Kommentar:
Die Dilemmata der britischen Einwanderungspolitik
Die Zahlen der irregulären Einwanderung sind alarmierend und werfen ein Schlaglicht auf die Herausforderungen der britischen Migrationspolitik. Die drastische Erhöhung der Zahl der Menschen, die den gefährlichen Weg über den Ärmelkanal wählen, zeigt die Unzulänglichkeiten der bisherigen Maßnahmen auf. Die verstärkten Kontrollen und die geplanten Abschiebungen könnten kurzfristig Wirkung zeigen, doch der Rückgang der legalen Einwanderung birgt langfristige Risiken für den britischen Arbeitsmarkt und das soziale Gefüge. Die Herausforderung wird sein, eine Balance zwischen Sicherheitsbedürfnissen und humanitären Verpflichtungen zu finden.
OZD-Prognose:
In den kommenden Wochen ist mit weiteren intensiven politischen Debatten über die Einwanderungspolitik zu rechnen. Es ist zu erwarten, dass die Labour-Regierung zusätzliche Maßnahmen gegen die Schleuserbanden ergreift und möglicherweise neue Vorschläge zur Reform der Visavorschriften präsentiert. Auch wird sich zeigen, wie sich die verschärften Regelungen auf die Einwanderung von Arbeitskräften und die allgemeine Migrationsdynamik auswirken.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Keir Starmer?
Keir Starmer ist der aktuelle Premierminister von Großbritannien und Vorsitzender der Labour Party. Er trat sein Amt im Juli 2024 an und setzt sich für eine Reform der Migrationspolitik sowie eine humane Behandlung von Asylsuchenden ein. Weitere Informationen finden Sie auf der offiziellen Website von Keir Starmer.
Was ist die Nationale Kriminalbehörde (NCA)?
Die Nationale Kriminalbehörde (NCA) ist eine britische Behörde, die für die Bekämpfung schwerer und organisierter Kriminalität zuständig ist. Die NCA agiert auf nationaler Ebene und arbeitet eng mit anderen Sicherheitsdiensten zusammen. Weitere Informationen finden Sie auf der Wikipedia-Seite der NCA.
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Foto: Ben Stansall / AFP