Zum Tag der Arbeit pochen die Gewerkschaften auf eine bessere Bezahlung der "Corona-Helden". "Pflegerinnen und Müllwerker, Reinigungskräfte und Paketboten, Verkäuferinnen werden in der Krise jetzt zu Recht als Heldinnen und Helden des Alltags gefeiert – sie haben mehr verdient als billigen Applaus", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach am Freitag in Berlin. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi will eine bessere Bezahlung besonders in den systemrelevanten Berufen notfalls auch mit Streiks durchsetzen.
Erstmals in der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung fand der 1. Mai in diesem Jahr wegen der Corona-Epidemie ohne größere öffentliche Demonstrationen und Kundgebungen statt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) organisierte stattdessen eine mehrstündige Live-Sendung im Netz.
Die Gewerkschaften warnten vor wachsenden sozialen Ungleichheiten durch die Corona-Krise und forderten den Erhalt der Arbeitsplätze. "Wir kämpfen dafür, dass die Kosten der Krise nicht an den Beschäftigten hängen bleiben", erklärte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Es komme darauf an, Arbeitsplätze nachhaltig zu sichern "und ein gesellschaftliches Auseinanderdriften zu verhindern".
Der DGB mahnte zugleich die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten auch in der Corona-Krise an. Es sei falsch, jetzt die Arbeitszeit zu verlängern und Ruhezeiten zu reduzieren. "Die Menschen arbeiten schon heute an den Grenzen der Belastbarkeit", erklärte Hoffmann.
Auch die IG Metall nimmt die Arbeitgeber in die Pflicht. "Jetzt kommt es darauf an, solidarisch zu sein und Beschäftigung zu sichern", sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Freitagsausgabe). Mehr als zehn Millionen Kurzarbeiter und 2,6 Millionen Arbeitslose zeigten, wie fest die Krise die Gesellschaft im Griff habe.
Verdi-Chef Frank Werneke nannte es eine "gesellschaftliche Aufgabe, für den Erhalt jedes Arbeitsplatzes zu kämpfen, der gefährdet ist, ob in der Tourismusbranche, im Luftverkehr, in Kultureinrichtungen oder im Handel".
Kritik übte Werneke an Unternehmen, die in der Corona-Krise staatliche Unterstützungsgelder erhielten und gleichzeitig versuchten, Arbeitsplätze zu vernichten. Es müsse verhindert werden, dass mithilfe von Steuergeldern Personalabbau finanziert werde oder Dividenden an Aktionäre und Boni an Führungskräfte gezahlt würden.
Verdi will nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung besonders in den systemrelevanten Berufen notfalls auch mit Streiks durchsetzen. "Wir werden Tarifvertrag für Tarifvertrag aufrufen und alle die beim Wort nehmen, die zurzeit täglich eine größere gesellschaftliche Anerkennung für diese Berufe fordern, in denen besonders viele Frauen arbeiten", erklärte Werneke.
Beschäftigte in systemrelevanten Berufen müssten endlich ordentlich bezahlt werden – am besten durch Tarifverträge, forderte auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. "Einmalzuschläge reichen nicht aus."
Während die Gewerkschaften den Tag der Arbeit digital begingen, bereitete sich die Polizei in Berlin mit einem Großaufgebot auf angekündigte Aktionen der linken Szene zum 1.Mai vor. Linke hatten ab Freitagabend zu dezentralen Protesten auf der Straße aufgerufen. Die Berliner Landesregierung warnte im Vorfeld, sie werde keine größeren Menschenansammlungen tolerieren.
Die Proteste mit Schwerpunkt in Friedrichshain-Kreuzberg mit tausenden Menschen verliefen in der Vergangenheit immer wieder gewaltsam, in jüngeren Jahren blieb es jedoch relativ ruhig. Aufrufe zu Straßenprotesten gab es auch in anderen Städten wie Hamburg, Frankfurt am Main, München oder Stuttgart.
hex/bk
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