Der Aufsichtsratschef des Konsumgütergiganten Nestlé, Paul Bulcke, hat den unerwarteten Wechsel an der Spitze des Unternehmens verteidigt. "Es ist Zeit für eine Veränderung," erklärte Bulcke am Freitag in einer Telefonkonferenz mit Investoren. "Andere Qualitäten" würden nun benötigt, um das Unternehmen voranzubringen. Der Wechsel, der den Markt zunächst verunsicherte, führte zu einem vorübergehenden Einbruch der Nestlé-Aktie um mehr als drei Prozent an der Schweizer Börse. Im Laufe des Vormittags erholte sich der Kurs jedoch wieder teilweise.
Am Donnerstagabend hatte Nestlé bekannt gegeben, dass der US-Deutsche Mark Schneider nach siebeneinhalb Jahren als CEO seinen Posten räumen wird. Ab dem 1. September übernimmt der Franzose Laurent Freixe, der seit 1986 im Unternehmen tätig ist und zuletzt die Region Lateinamerika verantwortete. Dieser Wechsel kommt zu einem kritischen Zeitpunkt für Nestlé, denn die vergangenen zweieinhalb Jahre waren für den Konzern alles andere als einfach.
"Sowohl die operativen Ergebnisse als auch der Aktienkurs von Nestlé waren enttäuschend," erklärten Analysten der Bank UBS in einer ersten Reaktion auf den Wechsel. Zusätzlich habe Nestlé in letzter Zeit "ungewöhnlich" viele negative Schlagzeilen gemacht, was das Vertrauen in die Führung weiter erschütterte.
Ein besonders schwerwiegender Vorwurf kam von der Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye, die Nestlé beschuldigte, in einkommensärmeren Ländern wie Südafrika und Indonesien ihre Baby- und Kleinkindernahrung mit "massiv" viel Zucker anzureichern und diese dennoch als gesund zu vermarkten. Auch in Frankreich stand Nestlé in der Kritik, nachdem die Lebensmittelaufsicht Fäkalienspuren in Quellen entdeckt hatte, aus denen Wasser für die Marke Perrier gewonnen wird.
Der künftige CEO Laurent Freixe kündigte in der Investorenkonferenz an, dass sein "großer Schwerpunkt" auf dem Absatzwachstum und dem "Gewinn von Marktanteilen" liegen werde. Dies könnte eine Neuausrichtung des Unternehmens signalisieren, das angesichts der letzten Herausforderungen nun verstärkt auf Wachstum und Stabilisierung setzen muss.
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OZD-Kommentar:
Kann Freixe Nestlé aus der Krise führen?
Der Führungswechsel bei Nestlé kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Mit Laurent Freixe übernimmt ein erfahrener Nestlé-Veteran das Ruder, doch die Herausforderungen sind enorm. Der neue CEO muss nicht nur das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen, sondern auch den operativen Kurs korrigieren und die Marktposition stärken. Die kritischen Vorwürfe in Bezug auf Produktqualität und Unternehmensethik werden dabei nicht einfach verschwinden. Es bleibt abzuwarten, ob Freixe die notwendige Wendung für Nestlé einleiten kann.
OZD-Prognose:
In den kommenden Wochen wird Freixe erste strategische Maßnahmen präsentieren, um das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen. Kurzfristig könnte der Aktienkurs weiterhin volatil bleiben, doch langfristig wird Freixes Erfolg davon abhängen, ob er die operativen Herausforderungen meistert und die negative Publicity in den Griff bekommt.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Laurent Freixe?
Laurent Freixe ist ein erfahrener Nestlé-Manager, der seit 1986 im Unternehmen tätig ist. Vor seiner Ernennung zum CEO war er für die Region Lateinamerika verantwortlich. Freixe gilt als Kenner des Unternehmens und der globalen Märkte. Weitere Informationen finden Sie auf der offiziellen Website von Nestlé.
Was ist die Schweizer NGO Public Eye?
Public Eye ist eine in der Schweiz ansässige Nichtregierungsorganisation, die sich für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit weltweit einsetzt. Die Organisation ist bekannt für ihre kritischen Berichte über multinationale Konzerne. Mehr dazu auf Wikipedia - Public Eye.
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Foto: FABRICE COFFRINI / AFP