Die Vorwürfe seiner früheren Mitarbeiterin Tara Reade seien "nicht wahr", erklärte der langjährige Senator und Ex-Vizepräsident am Freitag. "Das ist nie passiert." Im Sender MSNBC beteuerte der Politiker der oppositionellen Demokraten, er habe "nichts zu verbergen".
Der 77-Jährige ist durch die Vorwürfe zuletzt zunehmend unter Druck geraten. Reade wirft dem früheren Senator vor, sie vor 27 Jahren in einem Flur des US-Kongresses unsittlich berührt zu haben. Er soll sie an die Wand gedrückt, ihr unter die Unterwäsche und in ihr Geschlecht gegriffen haben.
Die heute 56-Jährige hatte schon vor einem Jahr zusammen mit anderen Frauen Biden ein ungangemessenes Verhalten vorgeworfen. Dabei ging es aber beispielsweise um Umarmungen und nicht um sexuelle Übergriffe. Erst vor Kurzem erhob Reade die schweren Anschuldigungen gegen Biden.
Dessen Wahlkampfteam wies die Vorwürfe Mitte April zurück, der designierte Präsidentschaftskandidat selbst hatte sich bislang nicht dazu geäußert. Am Freitag veröffentlichte Biden nun eine Stellungnahme und gab dem Sender MSNBC ein Interview.
Er betonte, Frauen müssten mit "Würde und Respekt" behandelt und bei Vorwürfen der sexuellen Gewalt "angehört und nicht zum Schweigen gebracht" werden. In seinem Fall seien die Vorwürfe aber unwahr. In Reades Schilderungen gebe es "Ungereimtheiten" sowie "kleinere und größere Veränderungen" im Laufe der Zeit.
Biden ging auch auf eine Beschwerde ein, die Reade nach eigenen Angaben nach dem mutmaßlichen Vorfall bei der zuständigen Kongressstelle eingereicht hatte. Sollte das Dokument tatsächlich existieren, müsste es sich heute im Nationalarchiv befinden - und müsse dort gesucht werden. Er selbst und auch keiner seiner Mitarbeiter habe aber jemals von einer solchen Beschwerde gehört, beteuerte Biden.
Reade hat Anfang April auch Anzeige bei der Polizei erstattet, ohne Biden namentlich zu nennen. Es gibt aber keine laufenden Ermittlungen.
Dennoch sind die Vorwürfe eine schwere Hypothek für Biden und könnten ihm im Wahlkampf schwer schaden. Der 77-jährige Mitte-Politiker hat das Rennen der Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur de facto für sich entschieden. Alle seine innerparteilichen Rivalen warfen nacheinander das Handtuch, zuletzt der linksgerichtete Senator Bernie Sanders. Biden soll bei einem für August geplanten Parteitag offiziell als Kandidat nominiert werden und bei der Präsidentschaftswahl am 3. November Amtsinhaber Donald Trump herausfordern.
Gegen Trump haben in der Vergangenheit zahlreiche Frauen den Vorwurf sexueller Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung erhoben. Der Präsident hat alle Vorwürfe bestritten. Auf eine Frage zu den Vorwürfen gegen Biden sagte Trump am Donnerstag, er wisse nicht über den Fall, es könne sich aber um "falsche Anschuldigungen" handeln.
Biden hat wiederholt seinen politischen Einsatz gegen sexuelle Gewalt und für Gleichberechtigung hervorgehoben. Er hat angekündigt, mit einer Frau als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft in den Wahlkampf ziehen zu wollen.
Am Donnerstag lancierte Biden die Suche nach einer Kandidatin und stellte ein Komitee vor, das ihn bei der Auswahl beraten soll. Als mögliche Kandidatin werden die Senatorinnen und früheren Präsidentschaftsbewerberinnen Kamala Harris, Amy Klobuchar und Elizabeth Warren, Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer und die frühere Regionalabgeordnete Stacey Abrams aus dem Südstaat Georgia gehandelt.
Umfragen sahen Biden zuletzt vor Trump, der unter anderem für sein Corona-Krisenmanagements kritisiert wird. Allerdings sind solche Erhebungen sechs Monate vor der Wahl nur bedingt aussagekräftig.
fs/jes
Fabian Erik SCHLÜTER / © Agence France-Presse