Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte die Bedeutung des Asylrechts und kündigte Gespräche zwischen Kanzler Olaf Scholz und Oppositionsführer Friedrich Merz an.
Die Bundesregierung hält Forderungen nach einem generellen Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan für nicht verfassungsgemäß. "Das würde gegen das Grundgesetz und mutmaßlich auch gegen EU-Menschenrechtsverordnungen verstoßen," sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Er bezog sich dabei auf Forderungen von CDU-Chef Friedrich Merz, ohne diese allerdings ausdrücklich zu bewerten.
"Regierungen sind nie gut beraten, Verfassungsbruch zu begehen," sagte Hebestreit weiter. Er betonte die Bedeutung des individuellen Asylrechts als "eine der zentralen Errungenschaften des deutschen Grundgesetzes." Daran wolle "niemand" ernsthaft herangehen. Auf jeden Fall erkenne er "keine Bestrebungen von denjenigen, die die Regierung tragen, an diesem Grundgesetz-Artikel etwas zu ändern."
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Oppositionsführer Merz wollen einem Medienbericht zufolge bei einem Treffen am Dienstag über den Kurs in der Migrationspolitik sprechen. Das für den Morgen angesetzte Treffen im Kanzleramt sei seit längerem anberaumt gewesen, berichtete das "Handelsblatt" unter Berufung auf CDU-Kreise. Nun aber werde es vor allem um Konsequenzen aus dem Anschlag von Solingen und einen Kurswechsel in der Migrationspolitik gehen.
Am Sonntag hatte Merz den Kanzler in einem offenen Brief zu einer Kehrtwende in der Migrationspolitik aufgefordert. Unter anderem sprach sich Merz darin für einen Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan aus.
"Herr Bundeskanzler, wir sehen uns ohnehin in dieser Woche," schrieb er. "Ich fordere Sie auf, mit uns zusammen schnell und ohne weitere Verzögerungen Entscheidungen zu treffen, die konsequent darauf ausgerichtet sind, weitere Terroranschläge wie den vom letzten Freitag in unserem Land zu verhindern."
Hebestreit wollte sich auf Nachfragen zu dem offenbar geplanten Treffen nicht äußern. Er verwies auf die Vertraulichkeit solcher Gespräche, auch wenn immer wieder "die Transparenz auf der Gegenseite deutlich größer ist."
Auf jeden Fall sei aber Scholz grundsätzlich gesprächsbereit, sagte der Regierungssprecher. Es müsse aber "vernünftig und zielführend sein, was man miteinander vereinbaren kann." So müsse es Vorschläge geben, "die nicht gegen das Grundgesetz verstoßen oder die UN-Menschenrechtscharta." Diese müsse "eine Regierung immer berücksichtigen in ihrem Handeln."
Hebestreit betonte, es sei natürlich das gute Recht des Oppositionsführers, Forderungen aufzustellen. Die Bundesregierung habe nach Gesprächen mit den Bundesländern, darunter auch den unionsregierten Ländern, bereits im Frühjahr "massive Veränderungen vorgenommen, um rechtliche Hürden für Abschiebungen aus dem Weg zu räumen." Im Fall des Messerangriffs von Solingen sei es allerdings offensichtlich eher um die Umsetzung bereits geltenden Rechts gegangen.
Am Freitagabend waren bei der Messerattacke während eines Stadtfestes drei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden. Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, stellte sich am Samstag und wurde festgenommen. Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen Terrorverdachts.
Am Samstag hatte die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) die Tat bereits für sich reklamiert. Am Sonntagabend verbreitete der IS dann ein angebliches Bekennervideo, das den Täter zeigen soll. Es zeigt einen vermummten Mann, der eine Stichwaffe in der Hand hält.
Der Mann beschuldigt "Kreuzritter," in Bosnien, Palästina, Syrien, Libanon und im Irak "Massaker" begangen zu haben. "So Gott will, werde ich euch in Stücke schneiden," heißt es weiter. In einem anderen Videoausschnitt, sagt der Mann, der nun nun mit verpixeltem Gesicht gezeigt wird: "Es sind nur noch wenige Augenblicke (...) Bitte betet für mich."
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) mahnte bei der Bewertung des Videos zur Vorsicht. Die Auswertung sei "sehr kompliziert," sagte er.
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar:
Migration, Verfassung und Sicherheit – Ein Balanceakt in schwierigen Zeiten
Die politische Debatte nach dem Anschlag von Solingen zeigt einmal mehr die Herausforderungen, vor denen Deutschland in der Migrationspolitik steht. Während die Bundesregierung klare verfassungsrechtliche Grenzen für einen generellen Aufnahmestopp sieht, wächst der Druck von Seiten der Opposition, schärfere Maßnahmen zu ergreifen. Friedrich Merz' Forderungen spiegeln die wachsende Unsicherheit in Teilen der Bevölkerung wider, während Regierungssprecher Steffen Hebestreit betont, dass solche Maßnahmen mit den Grundrechten und internationalen Verpflichtungen vereinbar sein müssen.
Die anstehenden Gespräche zwischen Scholz und Merz könnten eine entscheidende Weichenstellung für die zukünftige Ausrichtung der deutschen Migrationspolitik darstellen. Es bleibt abzuwarten, ob es gelingt, einen Konsens zu finden, der sowohl die Sicherheitsbedenken der Bevölkerung adressiert als auch den verfassungsmäßigen Anforderungen gerecht wird.
OZD-Prognose:
Die Debatte um Migrationspolitik und innere Sicherheit wird in den kommenden Wochen weiter an Schärfe zunehmen. Die Forderungen der Opposition nach einem Aufnahmestopp könnten den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, insbesondere angesichts der bevorstehenden Wahlen in Ostdeutschland. Gleichzeitig wird es entscheidend sein, wie die Regierung die Balance zwischen Sicherheit und Verfassungstreue hält, um sowohl innenpolitisch als auch auf internationaler Ebene handlungsfähig zu bleiben.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Steffen Hebestreit?
Steffen Hebestreit ist Regierungssprecher der Bundesrepublik Deutschland und enger Vertrauter von Bundeskanzler Olaf Scholz. Er ist verantwortlich für die Kommunikation der Bundesregierung und vertritt deren Positionen in der Öffentlichkeit. Wikipedia-Seite: Steffen Hebestreit
Was ist der Generalbundesanwalt?
Der Generalbundesanwalt ist die höchste Staatsanwaltschaft in Deutschland und für die Verfolgung von schweren Straftaten wie Terrorismus, Spionage und Völkermord zuständig. Er leitet Ermittlungen bei Verbrechen von nationaler Bedeutung und arbeitet eng mit anderen Sicherheitsbehörden zusammen. Offizielle Website: Generalbundesanwalt
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Titelbild: LUKAS BARTH / AFP