Zehneinhalb Monate nach Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas hat die israelische Armee nach eigenen Angaben eine weitere Geisel aus dem Gazastreifen befreit. Armee und Inlandsgeheimdienst Shin Bet befreiten den 52-jährigen Kaid Farhan Alkadi bei einem "komplexen Einsatz" im Süden des Palästinensergebiets, teilte die Armee am Dienstag mit. Alkadi ist erst die siebte Geisel, die die Armee seit dem Ende der bislang einzigen Feuerpause im Gaza-Krieg Anfang Dezember lebend retten konnte.
Das israelische Forum der Geisel-Angehörigen begrüßte Alkadis Befreiung als ein "Wunder". Gleichzeitig mahnte die Interessengruppe, Militäreinsätze reichten nicht aus, um alle seit mehr als 320 Tagen im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu befreien. "Die Aushandlung eines Abkommens sei der einzige Weg voran," erklärte die Gruppe.
Alkadi, ein Beduine aus Rahat, einer überwiegend von Arabern bewohnten Beduinenstadt in der Negev-Wüste, arbeitete am 7. Oktober als Wachmann im Kibbuz Magen im Süden Israels, als er von der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas entführt und in den Gazastreifen verschleppt wurde. Nach den Worten von Armeesprecher Daniel Hagari wurde Alkadi aus einem unterirdischen Tunnel befreit. Weitere Details wurden aus Sicherheitsgründen nicht bekanntgegeben. Vergangene Woche waren im selben Tunnel die Leichen von sechs israelischen Geiseln entdeckt worden.
"Israel arbeitet unermüdlich, um alle unsere Geiseln zurückzubringen," betonte Regierungschef Benjamin Netanjahu nach einem Telefonat mit Alkadi. Dies geschehe auf zwei Wegen - durch Verhandlungen und durch "Rettungseinsätze." Beides erfordere "unsere Militärpräsenz vor Ort und anhaltenden militärischen Druck auf die Hamas," fügte Netanjahu hinzu.
Die US-Regierung äußerte sich derweil vorsichtig optimistisch zu den anhaltenden Gesprächen über eine Feuerpause im Gaza-Krieg und die Freilassung von Geiseln. Es gebe "weiterhin Fortschritte," sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby. Die Gespräche seien "konstruktiv" und sollten in den kommenden Tagen in Arbeitsgruppen fortgesetzt werden.
Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas hatten Israel am 7. Oktober überfallen und 1199 Menschen getötet. 251 weitere Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. 104 Geiseln befinden sich noch immer in dem Palästinensergebiet, 34 von ihnen sind nach Angaben der israelischen Armee tot.
Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 40.470 Menschen getötet.
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar:
Rettung oder Sackgasse?
Die Befreiung von Geiseln im Gazastreifen ist zweifellos ein Erfolg für Israel, doch zeigt sich auch die Kehrseite des militärischen Vorgehens. Ohne eine langfristige Lösung durch Verhandlungen könnte die Spirale der Gewalt weiter eskalieren, und es stellt sich die Frage, wie viele Leben noch geopfert werden müssen, bevor eine dauerhafte Friedenslösung gefunden wird. Eine Zweistaatenlösung sollte im Vordergrund stehen.
OZD-Prognose:
In den kommenden Wochen könnte der Druck auf Israel, eine Feuerpause auszuhandeln, zunehmen, während internationale Akteure versuchen werden, eine Verhandlungslösung zu fördern. Gleichzeitig dürfte Israel seine militärischen Einsätze fortsetzen, um weiteren Geiseln das Leben zu retten.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Benjamin Netanjahu?
Benjamin Netanjahu ist der derzeitige Ministerpräsident Israels und eine der prägendsten politischen Figuren des Landes. Er war bereits mehrfach Regierungschef und gilt als Verfechter einer harten Linie gegen Terrorismus und für die Sicherheit Israels.
Was ist die Hamas?
Die Hamas ist eine radikal-islamistische Palästinenserorganisation, die seit 2007 den Gazastreifen kontrolliert. Sie wird von vielen westlichen Staaten, darunter den USA und der EU, als Terrororganisation eingestuft. Die Hamas verfolgt das Ziel, Israel zu zerstören und einen islamischen Staat in Palästina zu errichten.
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Titelbild: © AFP
