Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat die nach dem Anschlag in Solingen entfachte Debatte um Messerverbote und andere Gegenmaßnahmen als zu undifferenziert kritisiert. "Es geht 'Kraut und Rüben durcheinander'," sagte Reul am Mittwoch in Düsseldorf. Er betonte, dass extremistische Taten ein völlig anderes Problem seien als alltägliche Aggressionsdelikte mit Messern in Ausgehvierteln und Partyhotspots.
"Ohne den Willen zur Unterscheidung gibt es auch keine 'klugen Lösungen'," kritisierte Reul weiter. Er warnte davor, sich in Diskussionen um Verbote und Gesetzesverschärfungen allein zu verfangen. "Ein zu einem Anschlag entschlossener Extremist wird stets 'Mittel und Wege finden'," betonte er. Stattdessen müsse die Debatte auch die Täter in den Fokus nehmen.
Reul äußerte sich anlässlich der Vorstellung eines landeseigenen Lagebilds zur Messergewalt, dessen Präsentation bereits vor dem Anschlag in Solingen mit drei Toten geplant war. In diesem Fall ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen Terrorverdachts gegen einen 26-jährigen Flüchtling aus Syrien, der die Tat als Mitglied der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) begangen haben soll.
"Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte nach dem Attentat unter anderem eine schnelle Verschärfung des Waffenrechts an," was die Diskussion um Messerverbote weiter anheizte. Diese Debatte läuft bereits seit längerem und bezieht sich unter anderem auf die Einrichtung von Verbotszonen und entsprechende Kontrollbefugnisse für die Polizei.
Laut dem von Reul vorgestellten Lagebild des Landeskriminalamts (LKA) wurden in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr rund 3500 Messerangriffe registriert, eine Zunahme um 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2022. Dabei starben 15 Menschen. Auffällig ist, dass viele Tatverdächtige männlich und relativ jung waren; etwa die Hälfte war noch keine 21 Jahre alt. Zudem lag der Anteil der Verdächtigen mit ausländischer Staatsangehörigkeit bei 45 Prozent.
"Messer haben sicherlich auch etwas mit Männlichkeitsgehabe zu tun," sagte Reul. Die Ergebnisse des Lagebilds sollen helfen, gezieltere Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Dazu gehören unter anderem eine verstärkte Präventionsarbeit in Flüchtlingsunterkünften und Ansätze wie die Videoüberwachung in kritischen Bereichen.
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OZD-Kommentar:
Ist Verbieten die Lösung?
Herbert Reul mahnt zu Recht, dass eine differenzierte Betrachtung notwendig ist, um effektive Maßnahmen gegen Messergewalt zu ergreifen. Verbote alleine werden das Problem nicht lösen, insbesondere wenn es um Extremisten geht, die fest entschlossen sind, Schaden anzurichten. Es bedarf einer Kombination aus Prävention, gezielter Überwachung und einer klaren Differenzierung zwischen alltäglicher Gewalt und gezielten Terroranschlägen.
OZD-Prognose:
In den nächsten Wochen wird die Debatte um Messerverbote und andere Gegenmaßnahmen weiter an Intensität gewinnen. Es ist wahrscheinlich, dass die Bundesregierung zusätzliche gesetzliche Verschärfungen einführt. Allerdings wird der Druck steigen, gleichzeitig differenzierte und präventive Maßnahmen zu erarbeiten, um sowohl die alltägliche Gewalt als auch extremistische Bedrohungen effektiv zu bekämpfen.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Herbert Reul?
Herbert Reul ist ein deutscher Politiker der CDU und seit Juli 2017 Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Zuvor war er von 2004 bis 2017 Mitglied des Europäischen Parlaments. Reul ist bekannt für seine harte Linie in der Innenpolitik, insbesondere in Fragen der inneren Sicherheit und Extremismusbekämpfung.
Was ist das Landeskriminalamt (LKA)?
Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) ist die zentrale Ermittlungsbehörde des Landes und zuständig für die Bekämpfung der Schwerkriminalität. Es koordiniert Ermittlungen und bietet Unterstützung für die Polizei bei komplexen Kriminalfällen.
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