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Festnahme in Solingen: Reul räumt Fehler im Abschiebesystem ein

Nach dem schockierenden Messeranschlag in Solingen klärt Innenminister Herbert Reul über die Festnahme des Verdächtigen auf und mahnt zu einer sachlichen Debatte. Was lief falsch bei der Abschiebung und welche Konsequenzen drohen? Artikeltext:

Nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Messeranschlag in Solingen hat der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) weitere Einzelheiten zur Festnahme des Verdächtigen bekannt gegeben. "Polizeibeamte haben den Mann im Rahmen der Fahndung wegen verdächtigen Verhaltens bemerkt, ihn angesprochen und sofort festgenommen," sagte Reul am Donnerstag im Landtag. Entgegen ersten Berichten, wonach der Verdächtige sich selbst gestellt habe, wurde er aktiv von den Beamten aufgegriffen.

Die misslungene Abschiebung des Syrers, der die Tat begangen haben soll, wirft weiterhin viele Fragen auf. Der 26-Jährige hätte bereits 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, doch die Behörden trafen ihn in seiner Unterkunft nicht an. "Es handelt sich hier um einen Fall in einem höchst fehleranfälligen System," räumte Landesflüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) ein. Sie verwies auf ähnliche Probleme im Dublin-Verfahren, die auch in anderen Fällen zu gescheiterten Abschiebungen führten.

Reul warnte vor "Schnellschussantworten" und mahnte in einer gemeinsamen Sitzung von Innen- und Integrationsausschuss eine "sachliche Debatte" an. Ob der Syrer sich in Deutschland oder bereits vor seiner Ankunft radikalisiert habe, sei noch unklar und Gegenstand der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft. Bis zu seiner Tat sei der Verdächtige polizeilich nicht auffällig geworden, betonte Reul.

Als direkte Reaktion auf den Vorfall sollen nun zentrale Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen Zugriff auf Informationen zu An- und Abwesenheiten von Geflüchteten in ihren Unterkünften erhalten. "Dazu hatte es bislang keine Verpflichtung gegeben," erklärte Paul und kündigte an, dass Unterkunftsleiter die Ausländerbehörden zukünftig umgehend informieren sollen, wenn ein Asylbewerber nach gescheiterter Abholung wieder auftaucht.

Paul wies darauf hin, dass der Syrer am Vorabend sowie am Mittag des geplanten Abholtags noch "beim Mittagessen anwesend" gewesen sei. Eine rechtzeitige Überstellung nach Bulgarien sei jedoch selbst bei einer nachgeholten Abholung nicht mehr möglich gewesen, da ein freier Flug bis zum Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr buchbar gewesen wäre.

Angesichts der gravierenden Mängel im Abschiebesystem planen die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Landtag, um die Hintergründe des Attentats aufzuarbeiten und Konsequenzen zu ziehen. "Die FDP-Fraktion begrüßte dies ausdrücklich." Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wird am Freitag in einer Sondersitzung den Landtag über die bisherigen Erkenntnisse informieren.

Der Syrer, der am Freitag bei einem Stadtfest in Solingen drei Menschen erstochen und acht weitere verletzt haben soll, sitzt seit Sonntag in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft geht von einer Tat mit islamistischem Hintergrund aus.

OZD / ©AFP

OZD-Kommentar:

Ein System am Limit?

Die Diskussion um den Messeranschlag in Solingen und die misslungene Abschiebung des Verdächtigen zeigt, wie brisant und komplex die Migrations- und Sicherheitspolitik in Deutschland ist. Während die politischen Akteure sich bemühen, Lösungen zu finden, wird deutlich, dass unser Abschiebesystem erhebliche Schwächen aufweist. Der Ruf nach einer sachlichen Debatte ist mehr als berechtigt – Schnellschüsse helfen hier niemandem, aber man muss jetzt handeln, um die Glaubwürdikeit in Demokratie zu erhalten.

OZD-Prognose:

In den kommenden Wochen wird der parlamentarische Untersuchungsausschuss mit Hochdruck daran arbeiten, die Versäumnisse im Fall Solingen aufzuklären. Gleichzeitig dürften die Debatten um Verschärfungen im Waffenrecht und Änderungen im Dublin-System an Intensität zunehmen.


Biographien und Erklärungen:

Wer ist Herbert Reul? Herbert Reul ist seit 2017 Innenminister von Nordrhein-Westfalen und gehört der CDU an. Er hat sich in der Vergangenheit vor allem durch seine harte Linie in der Sicherheits- und Innenpolitik einen Namen gemacht.

Was ist das Dublin-Verfahren? Das Dublin-Verfahren regelt, welches EU-Land für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Es besagt, dass Geflüchtete in das Land zurückgeführt werden müssen, in dem sie zuerst registriert wurden. Weitere Informationen dazu finden Sie auf der offiziellen Website der EU.

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