Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat die Bedenken Deutschlands und der USA gegen ukrainische Angriffe auf russische Ziele mit westlichen Waffen als unbegründet abgetan. "Es ist lächerlich zu behaupten, dass das Zulassen von Zielen auf russischem Territorium bedeutet, dass wir uns im Krieg gegen Moskau befinden," erklärte Borrell am Freitag vor einem Treffen der EU-Verteidigungsminister in Brüssel. Seiner Ansicht nach entspricht das Vorgehen der Ukraine, auf Angriffe von russischem Gebiet zu reagieren, dem internationalen Recht.
Diese Äußerungen kommen, nachdem die Ukraine erneut gefordert hatte, Beschränkungen für den Einsatz westlicher Waffen aufzuheben, insbesondere angesichts der jüngsten russischen Luftangriffe. Doch Berlin und Washington zeigen sich in diesem Punkt zurückhaltend, da sie eine direkte Konfrontation mit Moskau fürchten.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte bei einem Außenministertreffen in Brüssel die Europäer dazu aufgerufen, Druck auf die USA und Großbritannien auszuüben, damit die Ukraine "legitime militärische Ziele tief in Russland" angreifen dürfe. Bisher sei dies der Ukraine nur in der Region Charkiw gestattet.
Bei dem Treffen der Verteidigungsminister, an dem auch der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow per Videokonferenz teilnahm, wurde zudem die geplante Ausweitung der EU-Ausbildungsmission für die Ukraine (EUMAM Ukraine) besprochen. Borrell bekräftigte das Ziel der EU, bis Jahresende 60.000 ukrainische Soldaten auszubilden, was 10.000 mehr sind als bisher geplant.
Der Parlamentarische Verteidigungs-Staatssekretär Thomas Hitschler betonte in Brüssel, dass Deutschland bis Ende des Jahres 10.000 Soldaten aus der Ukraine ausbilden wolle. "Das Training erfolgt in Deutschland," sagte er. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hingegen hatte die EU aufgerufen, auch eine Ausbildung in der Ukraine selbst zu erlauben, was Deutschland mit Verweis auf Eskalationsgefahren ablehnt.
Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur unterstützte Macron und äußerte, "Man kann nicht mit nur einer kampfbereiten Hand in den Boxring steigen." Auch die Niederlande und Lettland zeigten sich offen für eine Debatte über dieses Thema.
Ein weiteres zentrales Thema der Verteidigungsminister war die Zusage der G7-Gruppe, Kiew einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Hierfür will die EU die Zinsgewinne auf eingefrorene russische Vermögenswerte nutzen, obwohl die Details noch geklärt werden müssen.
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar:
Ein Balanceakt für die EU
Die Debatte um die Ausweitung der militärischen Unterstützung der Ukraine zeigt, wie stark die EU zwischen Solidarität und Eskalationsgefahr balancieren muss. Während Länder wie Deutschland vorsichtig agieren, drängen andere EU-Staaten auf entschlossenere Maßnahmen. Die Frage bleibt, wie lange die EU in dieser Uneinigkeit agieren kann, bevor sie eine klare Linie finden muss.
OZD-Prognose:
In den nächsten Wochen werden die Diskussionen über die militärische Unterstützung der Ukraine innerhalb der EU weiter intensiviert werden. Es ist zu erwarten, dass eine Entscheidung über die Ausbildung von Soldaten in der Ukraine getroffen wird. Zugleich könnten weitere finanzielle Hilfspakete für Kiew auf den Weg gebracht werden, um den Druck auf Russland zu erhöhen.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Josep Borrell?
Josep Borrell ist der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Er ist seit Dezember 2019 im Amt und spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Außenpolitik der EU.
Was ist die EU-Ausbildungsmission für die Ukraine (EUMAM Ukraine)?
EUMAM Ukraine ist eine von der Europäischen Union initiierte Ausbildungsmission, die darauf abzielt, ukrainische Soldaten für den Einsatz im Krieg gegen Russland zu schulen. Die Mission umfasst Trainingsprogramme in verschiedenen EU-Ländern. EUMAM Ukraine Wikipedia
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