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Eskalation bei Thyssenkrupp: Gabriel will Stahlsparte vollständig an Kretinsky abgeben

Nach heftigen Auseinandersetzungen bei Thyssenkrupp schlägt Aufsichtsratschef Sigmar Gabriel vor, dass der tschechische Investor Daniel Kretinsky die Stahlsparte komplett übernimmt. Diese Lösung könnte die beste Zukunft für den kriselnden Bereich bieten.

Nach der jüngsten Eskalation bei Thyssenkrupp im Streit um die Zukunft der angeschlagenen Stahlsparte hat der scheidende Aufsichtsratschef Sigmar Gabriel eine überraschende Lösung vorgeschlagen. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" erklärte Gabriel, es wäre "das Beste für die Stahlsparte", wenn der tschechische Investor Daniel Kretinsky sie "zu 100 Prozent übernehmen würde". Diese Aussage erfolgte nach einer turbulenten Zeit für das Traditionsunternehmen, in der die Spannungen im Aufsichtsrat und Vorstand eskaliert sind.

"Mit ihm gab es zuletzt die beste Diskussion über die Zukunft des Stahls in Europa seit Langem," fuhr Gabriel fort. Seiner Meinung nach bringt Kretinsky frischen Wind in das Unternehmen, auch wenn noch nicht klar sei, ob sich alle seine Vorstellungen realisieren ließen.

Thyssenkrupp ist derzeit in einem komplexen Prozess der Abspaltung seiner kriselnden Stahltochter. Bereits 20 Prozent der Anteile wurden an die Firma EPCG, die im Besitz des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky ist, verkauft. Geplant ist, dass weitere 30 Prozent folgen sollen. Die Debatte darüber, wie viel finanzielle Unterstützung die Stahlsparte weiterhin vom Mutterkonzern erhalten soll, hat zuletzt für heftigen Streit gesorgt. Insbesondere Arbeitnehmervertreter warnen seit Monaten vor einem möglichen Stellenabbau im Zuge der geplanten Restrukturierung.

Der Konflikt kulminierte am Donnerstagabend, als sowohl die Spitzen des Aufsichtsrats als auch des Vorstands von Thyssenkrupp Steel nach einer Aufsichtsratssitzung ihren Rücktritt ankündigten. Sigmar Gabriel machte in diesem Zusammenhang insbesondere dem Chef des Gesamtkonzerns, Miguel López, schwere Vorwürfe. "Dieser habe in den vergangenen Wochen eine 'beispiellose Kampagne' gegen den Vorstand der Stahlsparte betrieben," sagte Gabriel.

In einem weiteren Interview mit dem Wirtschaftsmagazin "Capital" bekräftigte Gabriel seine Kritik. López habe "permanent direkt in die Stahlsparte eingegriffen, an uns vorbei, ohne uns zu informieren". Außerdem beschuldigte Gabriel López, den dortigen Chef von seiner Arbeit abgehalten zu haben.

Ein zentraler Streitpunkt war laut Gabriel die finanzielle Ausstattung der Stahlsparte. "Wenn sie die Tochter an die Börse bringen wollen, dann muss sie so ausgestattet sein von ihrer Eigentümerin, dass sie das kann," erklärte er. López hingegen möchte nicht mehr als Eigentümer agieren, sondern die Stahl AG wie eine Bank behandeln und nur Darlehen vergeben – und das nicht einmal in ausreichendem Umfang.

OZD / ©AFP


OZD-Kommentar:

Krise bei Thyssenkrupp: Ein Hoffnungsschimmer oder der Anfang vom Ende?

Die Vorschläge von Sigmar Gabriel werfen ein Schlaglicht auf die tiefen Probleme bei Thyssenkrupp. Die Tatsache, dass Gabriel einen kompletten Verkauf der Stahlsparte an Kretinsky als beste Lösung sieht, spricht Bände über die gegenwärtige Misere des Konzerns. Doch kann ein ausländischer Investor wirklich die Rettung sein, oder markiert dieser Schritt den endgültigen Niedergang eines deutschen Industrie-Flaggschiffs? Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Gabriel recht behält oder ob Thyssenkrupp den endgültigen Verlust seiner Eigenständigkeit droht.

OZD-Prognose:

In den nächsten Wochen wird der Druck auf Thyssenkrupp weiter steigen. Die Verhandlungen mit Daniel Kretinsky könnten intensiviert werden, und es ist wahrscheinlich, dass weitere Umstrukturierungen und möglicherweise auch Stellenstreichungen folgen werden. Die Zukunft der Stahlsparte bleibt ungewiss, doch eine vollständige Übernahme durch Kretinsky könnte als wahrscheinlichstes Szenario in den Vordergrund rücken.

Biographien und Erklärungen:

Wer ist Sigmar Gabriel?

Sigmar Gabriel ist ein deutscher Politiker der SPD und war von 2013 bis 2017 Bundeswirtschaftsminister sowie Vizekanzler. Er ist seit 2020 Aufsichtsratschef bei Thyssenkrupp und hat sich in der Vergangenheit für verschiedene Reformen im Konzern starkgemacht. Wikipedia-Seite von Sigmar Gabriel.

Wer ist Daniel Kretinsky?

Daniel Kretinsky ist ein tschechischer Milliardär und Unternehmer, der in verschiedene Branchen investiert hat, darunter Energie, Medien und Handel. Er ist Inhaber der Firma EPCG, die bereits 20 Prozent der Thyssenkrupp-Stahlsparte besitzt. Wikipedia-Seite von Daniel Kretinsky.

Was ist Thyssenkrupp?

Thyssenkrupp ist ein deutsches multinationales Konglomerat mit Schwerpunkt auf Industrie und Technologie. Das Unternehmen hat eine lange Geschichte im Stahlsektor, steht jedoch in den letzten Jahren unter starkem wirtschaftlichem Druck. Offizielle Website von Thyssenkrupp.

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Foto: Ina FASSBENDER / AFP