Der frühere italienische Regierungschef und Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat die EU zu massiven Investitionen aufgerufen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit zu wahren. "Zusätzliche jährliche Mindestinvestitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro sind nötig", schrieb Draghi in seinem Strategiebericht, den er am Montag in Brüssel vorstellte. Der Bericht schlägt vor, diese Investitionen durch die Ausgabe neuer gemeinsamer Schulden zu finanzieren, wie es bereits während der Corona-Pandemie geschah.
"Europa steht vor einer existenziellen Herausforderung," warnte Draghi und betonte, dass ohne eine Steigerung der Produktivität Europa nicht länger führend in den Bereichen neuer Technologien, Klimaschutz und als unabhängiger Akteur auf der Weltbühne sein könne. Auch das europäische Sozialmodell sei ohne diese Maßnahmen gefährdet.
Draghi präsentierte seinen Bericht gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die die Studie in Auftrag gegeben hatte. Von der Leyen erklärte, dass Gemeinschaftsfinanzierung auch durch sogenannte Eigenmittel, wie Einfuhrzölle und die EU-Plastikabgabe, erfolgen könne. "Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit Europas sichern und gleichzeitig unsere Klimaziele erreichen," sagte sie.
In der Corona-Pandemie hatte die EU ein Hilfspaket in Höhe von 750 Milliarden Euro geschnürt, finanziert durch gemeinsame Schulden. Länder wie Italien und Frankreich fordern nun ein neues Paket, um die gestiegenen Ausgaben für Verteidigung und Klimaschutz zu decken. Deutschland und die Niederlande sehen dies jedoch kritisch und lehnen weitere Gemeinschaftsschulden ab.
Mit Blick auf die Klimapolitik forderte Draghi eine stärkere Abstimmung der EU. "Die Dekarbonisierung könnte eine Wachstumschance sein, wenn wir sie richtig anpacken," erklärte er. Ohne eine klare Ausrichtung bestünde jedoch die Gefahr, dass Klimaziele dem Wachstum und der Wettbewerbsfähigkeit Europas schaden könnten.
OZD-Kommentar:
Investitionen oder Stagnation: Die Zukunft Europas steht auf dem Spiel
Mario Draghi bringt eine klare Botschaft: Europa muss handeln, und zwar schnell. Der Wettbewerb mit den USA und China erfordert mutige Entscheidungen. Ohne massive Investitionen in Verteidigung, Klimaschutz und Wirtschaft riskiert Europa nicht nur, den technologischen Anschluss zu verlieren, sondern auch sein soziales Modell und seine Unabhängigkeit. Doch der Widerstand gegen neue Schulden zeigt, dass es nicht einfach wird, die Mitgliedstaaten zu vereinen. Die Zukunft Europas hängt davon ab, ob man bereit ist, diese Herausforderungen offensiv anzugehen.
OZD-Prognose:
In den kommenden
Monaten wird die Debatte über die Finanzierung von EU-Investitionen
weiter intensiviert. Die Frage, ob und wie Gemeinschaftsschulden wieder
aufgenommen werden, könnte eines der zentralen Themen der Europawahlen
2024 werden. Länder wie Italien und Frankreich werden Druck auf
Deutschland und die Niederlande ausüben, um eine Lösung zu finden.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Mario Draghi?
Mario
Draghi ist ein italienischer Ökonom und Politiker, der von 2011 bis
2019 Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) war. Von Februar 2021
bis Oktober 2022 war er zudem Premierminister Italiens. Draghi ist
bekannt für seine Rolle bei der Stabilisierung der Eurozone während der
Schuldenkrise und seine entschlossenen Maßnahmen zur wirtschaftlichen
Stabilisierung Europas.
Offizielle Website der Europäischen Zentralbank
Was ist die Europäische Zentralbank (EZB)?
Die
EZB ist die Zentralbank für den Euro und zuständig für die Geldpolitik
der Eurozone, die aus 19 Mitgliedstaaten der Europäischen Union besteht.
Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Wahrung der Preisstabilität in
der Eurozone und dem Erhalt der Finanzstabilität.
Wikipedia: Europäische Zentralbank
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Titelbild: © AFP