In der hitzigen Debatte um den Verteidigungshaushalt für 2024 wirft die Union der Bundesregierung vor, die Bundeswehr finanziell auszutrocknen. CDU-Politiker Johann Wadephul kritisierte im Bundestag scharf: „Die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene Zeitenwende sei eine ‚Fassade‘.“ Laut Wadephul führt die Berechnung der Inflation dazu, dass der Etat „faktisch ein Kürzungshaushalt“ sei und im kommenden Jahr sogar „zu einem Rüstungsstopp“ führen werde.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) konterte die Vorwürfe vehement. Er betonte, dass die Union in den vergangenen Jahrzehnten selbst maßgeblich dazu beigetragen habe, dass die Bundeswehr geschwächt wurde. „Die Bundeswehr wurde ‚runtergewirtschaftet‘ und wichtige Beschaffungsvorhaben über 15 Jahre verschlafen,“ sagte Pistorius. Jetzt sei es notwendig, die Versäumnisse „im Speed-Tempo“ aufzuholen.
Pistorius stellte klar, dass langfristig mehr Geld für die Verteidigung benötigt wird. Besonders ab 2028, wenn das Sondervermögen, das aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine geschaffen wurde, aufgebraucht ist, müsse weiter investiert werden. Er rief die Abgeordneten auf, in den Haushaltsberatungen den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr den Rücken zu stärken.
Der aktuelle Verteidigungshaushalt sieht Ausgaben in Höhe von 53,3 Milliarden Euro vor – etwa 1,3 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Verteidigungsminister Pistorius hatte jedoch ursprünglich rund 58 Milliarden Euro gefordert. In den Haushaltsverhandlungen musste er aufgrund des hohen Sparzwangs Abstriche hinnehmen.
Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger sprach sich für eine Reform der Schuldenbremse aus, um den Finanzbedarf im Verteidigungsbereich zu decken. Karsten Klein von der FDP verteidigte hingegen die Schuldenbremse als Garant für stabile Staatsfinanzen, die langfristig auch die Verteidigung finanzieren könnten.
Der AfD-Abgeordnete Michael Espendiller forderte, den Fokus auf die Wiederherstellung der Landesverteidigung zu legen und auf die Abgabe von Material an die Ukraine zu verzichten. „Deshalb dürfen wir auch kein weiteres Material an die Ukraine abgeben,“ sagte er.
Gesine Lötzsch von den Linken kritisierte die Milliarden für die Verteidigungsausgaben, die zu Lasten wichtiger sozialer Projekte gingen. „Dies sind die falschen Prioritäten,“ betonte sie. Ähnlich äußerte sich die BSW-Politikerin Zaklin Nastic, die die Fokussierung auf die Rüstungsindustrie scharf verurteilte. „Setzen Sie sich doch lieber für gute Arbeitsplätze in der Industrie, bei VW ein, statt für deutsche Panzer, die gegen Moskau rollen,“ sagte sie. Ihrer Meinung nach sei eine Friedenskonferenz unter Einbeziehung Russlands notwendig, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar:
Zeitenwende oder Lippenbekenntnis?
Die Debatte um den Verteidigungshaushalt wirft grundlegende Fragen auf. Die Union sieht in den geplanten Ausgaben eine Kürzung, während die Regierung beteuert, das Beste aus den knappen Mitteln zu machen. Doch die Frage bleibt: Wird die Zeitenwende tatsächlich eingeläutet oder dient sie lediglich als Deckmantel für eine symbolische Aufrüstung? Pistorius steht vor der Herkulesaufgabe, jahrelange Versäumnisse aufzufangen und gleichzeitig eine Armee zu modernisieren, die weit hinter ihren Möglichkeiten zurückliegt. Die Spannungen in Europa und der Ukraine-Konflikt erfordern eine gut ausgestattete Bundeswehr, doch Sparzwänge und politische Meinungsverschiedenheiten blockieren den Weg.
OZD-Prognose:
In den kommenden Wochen dürfte der Druck auf die Regierung weiter zunehmen, vor allem von Seiten der Opposition. Es ist wahrscheinlich, dass die Debatte um die Verteidigungsausgaben an Schärfe gewinnt und möglicherweise Kompromisse gefunden werden müssen. Eine Reform der Schuldenbremse könnte ebenfalls verstärkt in den Fokus rücken.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Johann Wadephul?
Johann Wadephul ist ein CDU-Politiker, der seit 2009 im Bundestag sitzt und als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion unter anderem für Außen- und Sicherheitspolitik zuständig ist. Er ist ein kritischer Beobachter der Verteidigungspolitik und wirft der Ampel-Koalition regelmäßig Versäumnisse vor.
Offizielle Website: Johann Wadephul
Wer ist Boris Pistorius?
Boris Pistorius, SPD, ist seit Januar 2023 Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland. Er gilt als durchsetzungsstark und will die Bundeswehr reformieren und modernisieren, um den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht zu werden.
Offizielle Website: Boris Pistorius
Was ist die Bundeswehr?
Die Bundeswehr ist die Armee der Bundesrepublik Deutschland und verantwortlich für die Verteidigung des Landes und die Wahrung der internationalen Sicherheit. Seit ihrer Gründung 1955 hat sie sich zu einer der modernsten und schlagkräftigsten Armeen in Europa entwickelt.
Wikipedia: Bundeswehr
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Foto: Tobias SCHWARZ / AFP