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Grenzkontrollen in Deutschland starten unter heftiger Debatte

Angesichts wachsender Kritik an den ab Montag beginnenden Grenzkontrollen in Deutschland hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine flexible Handhabung versprochen.

Betroffen sind unter anderem die Grenzen zu den Benelux-Staaten, Frankreich und Dänemark. Auch aus der Politik und den Nachbarländern gibt es scharfe Reaktionen.

Angesichts der ab Montag geltenden neuen Grenzkontrollen an weiteren deutschen Grenzabschnitten verspricht Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine flexible Handhabung der Maßnahmen. „Das Ziel ist, dass die Menschen in den Grenzregionen, Pendler, Handel und Wirtschaft so wenig wie möglich von den Kontrollen beeinträchtigt werden,“ erklärte Faeser am Sonntag. Trotz dieser Zusicherung äußerten Vertreter der betroffenen Grenzregionen, Nachbarländer und Parteien massive Kritik an den neuen Kontrollen.

„Wir wollen die irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen und Kriminellen das Handwerk legen,“ betonte Faeser erneut. Mit den Kontrollen an den Grenzen zu den Benelux-Staaten, Dänemark und Frankreich sollen auch „effektive Zurückweisungen“ von Menschen ohne gültige Reisedokumente ermöglicht werden. An den Landgrenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz gibt es bereits stationäre Kontrollen. Seit der Ausweitung dieser Kontrollen im Oktober 2023 seien rund 52.000 unerlaubte Einreisen festgestellt und etwa 30.000 Zurückweisungen vorgenommen worden, teilte das Innenministerium mit.

In den Grenzregionen stößt die Maßnahme auf Widerstand. Ein Sprecher der Stadt Herzogenrath an der niederländischen Grenze äußerte gegenüber der Rheinischen Post, dass die Kontrollen eine „Belastung für die vielen tausend Bürgerinnen und Bürger beider Länder“ darstellen könnten und sich auch wirtschaftlich negativ auswirken könnten. An der deutsch-dänischen Grenze warnte der SSW-Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler vor „langen Staus zu Stoßzeiten“ und kritisierte die Kontrollen als „völlig daneben“.

Auch aus der Politik anderer Länder, wie Polen, kamen kritische Stimmen. „Das einzige Mittel, um nicht ordnungsgemäße Einwanderung zu stoppen, ist es, die Außengrenzen der EU effizient zu kontrollieren. Nicht die Binnengrenzen,“ sagte Polens Ministerpräsident Donald Tusk. Polens Innenminister Tomasz Siemoniak warnte, dass die Kontrollen den „Geist von Schengen und der EU“ gefährden könnten.

Von deutscher Seite äußerten sich Vertreter der Polizei skeptisch. Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, kritisierte die personellen Kapazitäten für die Umsetzung der Kontrollen: „Das ist noch nicht zu Ende gestrickt.“ Auch der Polizeibeauftragte des Bundes, Uli Grötsch, sprach im Deutschlandfunk von einer „großen Herausforderung“ für die Einsatzkräfte.

Innerhalb der deutschen Politik gibt es ebenfalls kontroverse Meinungen. „Es muss eine europäische Lösung geben,“ forderte der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter. Er warnte davor, dass „nationale Alleingänge“ die EU destabilisieren könnten. Die Linken-Migrationsexpertin Clara Bünger kritisierte die Maßnahmen scharf und sprach von einem „gesellschaftlichen Klima der Ausgrenzung“, das durch die Regierung gefördert werde.

Auf der anderen Seite verteidigte die SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast die Maßnahmen als „ganz konkreten Schritt für mehr Sicherheit“. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) lobte die bisherigen Grenzkontrollen als erfolgreich. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz forderte die Bundesregierung auf, bis Jahresende eine „ehrliche Bilanz“ über den Erfolg der Kontrollen vorzulegen und bekräftigte seine Forderung nach direkten Zurückweisungen Schutzsuchender an den Grenzen.

OZD / ©AFP

Grenzkontrollen: Sicherheit oder Belastung?

Die Einführung neuer Grenzkontrollen an deutschen Grenzen polarisiert die Diskussionen. Während die Bundesregierung die Maßnahmen zur Bekämpfung der irregulären Migration verteidigt, äußern viele Kritiker Bedenken hinsichtlich der praktischen Umsetzung und der möglichen Auswirkungen auf Grenzregionen und die europäische Zusammenarbeit. Es bleibt abzuwarten, ob die Kontrollen tatsächlich zur Reduzierung der Migration führen oder ob die Kritik aus den Regionen und Nachbarländern das Vorgehen langfristig beeinflussen wird. Die neuen Grenzkontrollen werden in den kommenden Wochen stark beobachtet werden. Sollte es zu signifikanten Beeinträchtigungen im Grenzverkehr kommen, könnte der Druck auf die Bundesregierung zunehmen, die Maßnahmen zu überdenken oder anzupassen. Langfristig wird die Debatte um eine gemeinsame europäische Lösung zur Migrationspolitik weiter an Bedeutung gewinnen.

Was ist das Schengen-Abkommen?

Das Schengen-Abkommen ist ein Vertrag, der den freien Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten des Schengen-Raums ermöglicht. Es trat 1995 in Kraft und schaffte die Grenzkontrollen innerhalb der Mitgliedstaaten ab. Der Schengen-Raum umfasst mittlerweile fast alle EU-Länder sowie einige Nicht-EU-Staaten.

Offizielle Webseite: https://ec.europa.eu/home-affairs/policies/schengen-borders-and-visa/schengen-area_en

Was bedeutet irreguläre Migration?

Irreguläre Migration bezieht sich auf die Einreise oder den Aufenthalt von Menschen in einem Land ohne die erforderlichen rechtlichen Dokumente. Dies umfasst Migranten, die ohne gültiges Visum einreisen, oder Menschen, die nach Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung weiterhin im Land bleiben.

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