Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz und brandenburgische Ressortchef Michael Stübgen (CDU) hat eine Debatte angestoßen, die das Asylrecht in Deutschland grundlegend verändern könnte. Laut Stübgen sei das "individuelle Recht auf Asyl im Grundgesetz nicht mehr nötig". Er begründete dies mit der Aussage, dass Deutschland bereits durch die Genfer Flüchtlingskonvention Menschen Schutz gewähren könne, die verfolgt werden. "Das individuelle Recht auf Asyl ist im Grundgesetz nicht mehr nötig," betonte Stübgen im Interview mit dem "Handelsblatt".
Sein Vorschlag, Flüchtlingskontingente einzuführen, soll es ermöglichen, "zu entscheiden, wer in unser Land kommt" und dabei festzulegen, "in welchem Ausmaß wir Migranten aufnehmen und integrieren können". Besonders in Zeiten einer angespannten Flüchtlingssituation forderte Stübgen eine nationale Notlage, um Zurückweisungen an den Grenzen im großen Stil zu ermöglichen.
Unterstützung erhielt Stübgen vom stellvertretenden FDP-Chef Wolfgang Kubicki, der sich offen für eine Debatte zeigte. "Ich halte diesen Vorschlag nicht von vornherein für falsch oder indiskutabel," so Kubicki. Der FDP-Politiker sieht darin die Möglichkeit, humanitären Schutz mit den Kapazitätsgrenzen des Staates besser in Einklang zu bringen.
Dagegen riefen die Forderungen von Stübgen bei Linken und Grünen scharfe Kritik hervor. "Das Asylrecht abzuschaffen – diese Forderung kennt man sonst von braun-blauen Wahlplakaten," empörte sich Linken-Chefin Janine Wissler und fügte hinzu, Stübgen gieße "Öl ins Feuer des gefährlichen Überbietungswettbewerbs der Union mit der AfD". Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang sprach von "Wahlkampfgetöse" und zeigte sich schockiert über die Art, wie in der Migrationspolitik "der Rechtsstaat geschliffen" werde.
Die Bundesregierung hatte nach dem islamistischen Messerangriff von Solingen bereits verschärfte Maßnahmen in der Migrationspolitik vorgeschlagen. Dennoch sehen viele in der Union die Schritte der Regierung als unzureichend an. Wie weit die Diskussion über eine mögliche Abschaffung des Asylrechts gehen wird, bleibt abzuwarten.
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OZD-Kommentar:
Ein gefährliches Spiel mit dem Grundgesetz
Die Forderung von Michael Stübgen, das Asylrecht abzuschaffen, bringt eine gefährliche Dynamik in die politische Debatte. Das Grundgesetz steht für die Werte, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg geformt haben, und das Asylrecht ist ein Symbol humanitärer Verpflichtung. Wer die Abschaffung dieses Rechts fordert, rüttelt an den Grundfesten unserer Demokratie. Zwar mag die Idee, Migrationskontingente festzulegen, politisch attraktiv erscheinen, doch sie könnte gleichzeitig eine Aushöhlung des Grundgesetzes und eine Absage an die humanitären Prinzipien bedeuten, die Deutschland seit Jahrzehnten prägen. Zudem stellt sich die Frage, ob solch ein Schritt nicht radikale Stimmen beflügelt und den Rechtsstaat schwächt. In den kommenden Wochen wird die Debatte um das Asylrecht weiter an Fahrt aufnehmen. Besonders in Wahlkampfzeiten werden CDU und FDP verstärkt versuchen, Wählerstimmen über Migrationspolitik zu gewinnen. Die Bundesregierung wird versuchen, schärfere Maßnahmen zu präsentieren, um den Forderungen der Opposition entgegenzuwirken. Jedoch bleibt unklar, ob eine Änderung des Asylrechts im Grundgesetz tatsächlich durchsetzbar ist.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Michael Stübgen?
Michael Stübgen ist seit 2019 Innenminister von Brandenburg und Vorsitzender der Innenministerkonferenz. Er gehört der CDU an und hat in der Migrationspolitik stets eine restriktivere Linie vertreten.
Was ist das Asylrecht in Deutschland?
Das Asylrecht ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert, genauer gesagt in Artikel 16a. Es garantiert politisch Verfolgten das Recht auf Asyl und ist das einzige Grundrecht, das ausschließlich Ausländern zusteht.
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