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Barnier plant Steuern für Reiche und härtere Grenzkontrollen

Frankreichs neuer Premier Michel Barnier legt seine Pläne vor: Sparmaßnahmen, höhere Steuern für Großunternehmen und Änderungen bei der Rentenreform. Doch ein Misstrauensvotum könnte alles kippen.

Der konservative Premierminister Michel Barnier hat am Dienstag die Pläne der neuen französischen Minderheitsregierung in der Nationalversammlung vorgestellt. Zu den Schwerpunkten gehören höhere Steuern für große Unternehmen, Korrekturen an der umstrittenen Rentenreform sowie strengere Grenzkontrollen nach deutschem Vorbild. "Wir werden Dialog und Kompromiss zu den Leitlinien unserer Regierung machen," erklärte Barnier in seiner Rede. "Kompromiss ist kein Schimpfwort," betonte er.

Frankreich steht rund drei Monate nach den vorgezogenen Parlamentswahlen noch immer ohne festen Koalitionsvertrag da. Das stark gespaltene Parlament macht es schwierig, stabile Mehrheiten zu bilden. Barnier präsentierte zwar seine Pläne für die kommenden zweieinhalb Jahre, jedoch könnte seine Amtszeit jederzeit durch ein Misstrauensvotum beendet werden. Das linke Lager und die rechtspopulistische Fraktion von Marine Le Pen könnten gemeinsam gegen die Regierung stimmen.

Barnier sprach von zwei "Damoklesschwertern", die über Frankreich schwebten: die finanzielle Lage des Landes und die ökologische Schuldenlast, welche die heutige Generation der kommenden hinterlasse. Besonders die Verschuldung des Landes sei besorgniserregend. "Es ist unsere gewaltige finanzielle Schuldenlast – 3.228 Milliarden Euro – die, wenn wir nicht aufpassen, unser Land an den Rand des Abgrunds führen wird," warnte Barnier.

Die Reduzierung des Haushaltsdefizits, das derzeit bei über fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt, steht ebenfalls auf seiner Agenda. Barnier plant, das Defizit bis 2029 auf das von der EU geforderte Maximum von drei Prozent zu senken. Diese Sparmaßnahmen sollen durch einen Beitrag großer Unternehmen ergänzt werden. "Von großen Unternehmen, die hohe Gewinne erzielen, wird ein Beitrag verlangt werden," sagte Barnier. Er stellte jedoch klar, dass dies die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs nicht beeinträchtigen solle.

Im Bereich der Rentenreform, die das Rentenalter von 62 auf 64 Jahre anhebt, zeigte sich Barnier kompromissbereit. "Wir werden den Sozialpartnern vorschlagen, über vernünftige und gerechte Anpassungen zu sprechen,"kündigte er an, was auf mögliche Änderungen hoffen lässt.

Zur Einwanderungspolitik äußerte sich Barnier zurückhaltender, als es sein Innenminister Bruno Retailleau vielleicht erhofft hatte. Frankreich solle weiterhin seine Grenzen kontrollieren, "so wie es die europäischen Regeln erlauben und wie Deutschland es auch macht," erklärte er. Dies folgte als Reaktion auf den Fall einer ermordeten Studentin, bei dem ein entlassener Marokkaner aus einem Abschiebezentrum unter Verdacht steht.

Obwohl Barnier in seiner Rede kaum auf die deutsch-französische Partnerschaft einging, betonte er die wichtige Rolle Frankreichs bei der Reform Europas und bekräftigte die Unterstützung für die Ukraine. Außenpolitische Themen bleiben jedoch weiterhin in den Händen von Präsident Emmanuel Macron.

Das linke Lager kündigte bereits an, noch diese Woche einen Misstrauensantrag einzureichen. Sie kritisieren weiterhin, dass sie als stärkste Kraft im Parlament nicht den Premierminister stellen dürfen. Marine Le Pen, die Anführerin der rechtspopulistischen Fraktion, forderte eine Rückkehr zu den verschärfenden Maßnahmen im Einwanderungsrecht. Andernfalls zeigte sie sich offen dafür, gemeinsam mit den Linken gegen Barnier zu stimmen.

OZD / ©AFP


OZD-Kommentar:
Eine fragile Regierung: Frankreichs Weg durch die politische Blockade

Michel Barnier steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Der Balanceakt zwischen den verschiedenen politischen Lagern und die Notwendigkeit, Reformen durchzusetzen, ohne stabile Mehrheiten zu haben, ist riskant. Zwar betont Barnier die Bedeutung von Dialog und Kompromiss, doch die Gefahr, dass seine Regierung durch ein Misstrauensvotum zu Fall gebracht wird, bleibt allgegenwärtig. Die mangelnde Unterstützung aus dem linken Lager und die Unzufriedenheit der Rechten mit der Einwanderungspolitik verschärfen die Situation. Ohne klare Mehrheiten könnte Frankreich in einer politischen Sackgasse steckenbleiben, die wichtige Reformen auf lange Sicht blockiert.

OZD-Prognose:
Sollte es Barnier nicht gelingen, die Opposition mit Zugeständnissen zu überzeugen, könnte bereits in den nächsten Wochen ein Misstrauensvotum den Sturz der Regierung herbeiführen. Die politische Unsicherheit könnte sich auf die wirtschaftliche Stabilität des Landes auswirken, insbesondere im Hinblick auf die geplanten Steuerreformen und Sparmaßnahmen.

Biographien und Erklärungen:
Wer ist Michel Barnier?
Michel Barnier ist ein erfahrener konservativer Politiker und ehemaliger EU-Brexit-Unterhändler. Er wurde im Jahr 2023 zum Premierminister Frankreichs ernannt, nachdem keine Partei eine absolute Mehrheit bei den Parlamentswahlen erreichen konnte.

Was ist die Nationalversammlung?
Die Nationalversammlung ist das Unterhaus des französischen Parlaments und besteht aus 577 Abgeordneten. Sie spielt eine zentrale Rolle im Gesetzgebungsprozess des Landes. Bei der letzten Wahl im Jahr 2023 gab es keine klare Mehrheit, was zur derzeitigen politischen Blockade führte.

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Foto: AFP