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Verfassungsgericht stoppt BKA-Gesetz: Datenspeicherung und Überwachung eingeschränkt

Das Bundesverfassungsgericht hat die Befugnisse des BKA zur Überwachung und Datenspeicherung eingeschränkt. Änderungen am BKA-Gesetz müssen bis Juli 2025 erfolgen, um die Grundrechte zu wahren.

Die Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) bei der Überwachung und Speicherung von Daten gehen laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu weit. Das Gericht entschied am Dienstag, dass das BKA-Gesetz nachgebessert werden müsse, um verfassungskonform zu bleiben. Das Urteil betrifft vor allem die heimliche Überwachung von Kontaktpersonen sowie die Speicherung von Daten in einem polizeilichen Informationsverbund. "Es muss eine spezifische individuelle Nähe der Betroffenen zu der aufzuklärenden Gefahr bestehen," erklärte Gerichtspräsident Stephan Harbarth.

Eine Verfassungsbeschwerde, die von Anwältinnen, Fußballfans und einem politischen Aktivisten eingereicht wurde, hatte teilweise Erfolg. Die bisherige Regelung erlaubte es, auch Personen zu überwachen, die nicht selbst unter Verdacht stehen, jedoch Kontakt zu Terrorverdächtigen haben. Das Gericht stellte klar, dass die bisherige Praxis gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße. "Es müsse eine gewisse Eingriffsschwelle definiert werden," so das Urteil.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die an der Klage beteiligt war, zeigte sich erleichtert. "Das Risiko, dass Strafverteidigerinnen von tiefgreifenden Überwachungsmaßnahmen betroffen sind, ist gesunken," kommentierte Bijan Moini von der GFF das Urteil.

Neben der Überwachung kritisierte das Gericht auch die Speicherung von Daten im polizeilichen Informationssystem. Hierzu erklärte das Gericht, dass eine Speicherung nur dann erfolgen dürfe, wenn eine Straftat "sehr wahrscheinlich"sei. Eine Prognose müsse auf tatsächlichen Anhaltspunkten basieren, wobei unter anderem die Schwere der Tat, die Persönlichkeit des Betroffenen und vorherige strafrechtliche Verurteilungen berücksichtigt werden sollten.

Das Gericht nannte als Beispiele für relevante Delikte Terrorismus, organisierte Kriminalität, Schleusung und Menschenhandel. Außerdem müsse eine angemessene Dauer der Datenspeicherung festgelegt werden. Bis zur Änderung des BKA-Gesetzes, die spätestens bis Juli 2025 erfolgen muss, gelten die bisherigen Regelungen vorläufig weiter – allerdings mit Maßgaben des Gerichts.

Bereits 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht eine frühere Version des BKA-Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Damals wurde das Gesetz reformiert, und die aktuelle Neufassung trat 2018 in Kraft. Nun muss erneut nachgebessert werden.

Louisa Specht-Riemenschneider, die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. "Es dürfen keine Daten ins Blaue gespeichert werden," betonte sie. Auch der Deutsche Journalistenverband begrüßte das Urteil als "Sieg für die Pressefreiheit", da vor allem Journalistinnen und Journalisten, die in kriminellen Milieus recherchieren, von dem Urteil profitieren würden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erkannte an, dass die gerügten Befugnisse angepasst werden müssen, betonte jedoch die Notwendigkeit moderner Ermittlungsbefugnisse. "Der Schutz der inneren Sicherheit vor Terrorismus und schwersten Straftaten macht diese Befugnisse unabdingbar," erklärte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz.

Mehrere Reaktionen richteten den Blick auf die von der Bundesregierung geplante Überarbeitung des BKA-Gesetzes. GFF-Vertreter Bijan Moini äußerte Zweifel, ob neue Verschärfungen im Eilverfahren durchgesetzt werden sollten. Auch die Grünen, vertreten durch Irene Mihalic und Konstantin von Notz, betonten, dass das heutige Urteil zeige, "wie richtig und wichtig es war, das Urteil abzuwarten."

OZD / ©AFP


OZD-Kommentar:
Datenschutz gegen Sicherheit: Karlsruhe zieht klare Grenzen

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts markiert einen bedeutenden Sieg für die informationelle Selbstbestimmung. Es zeigt, dass die Balance zwischen dem Schutz der inneren Sicherheit und den Grundrechten von Bürgern wiederhergestellt werden muss. Die umfassenden Befugnisse des BKA zur Überwachung und Datenspeicherung waren in ihrer bisherigen Form überzogen und griffen in unverhältnismäßiger Weise in die Privatsphäre unbeteiligter Personen ein. Besonders die präventive Speicherung von Daten birgt Risiken, die in einem Rechtsstaat nicht akzeptabel sind. Dennoch bleibt die Frage, wie die Sicherheit Deutschlands ohne moderne Ermittlungsinstrumente gewährleistet werden kann. Die Herausforderung besteht darin, eine Lösung zu finden, die sowohl die Grundrechte achtet als auch die innere Sicherheit schützt.

OZD-Prognose:
Die Bundesregierung wird nun unter Druck stehen, das BKA-Gesetz bis spätestens Juli 2025 zu reformieren. Es ist zu erwarten, dass die politischen Diskussionen um eine ausgewogene Balance zwischen Sicherheit und Datenschutz intensiviert werden. Gleichzeitig wird das BKA möglicherweise vorübergehend mit eingeschränkten Befugnissen operieren müssen, bis eine verfassungskonforme Lösung gefunden wurde.

Biographien und Erklärungen:
Wer ist Stephan Harbarth?
Stephan Harbarth ist seit 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Zuvor war er langjähriges Mitglied des Deutschen Bundestages für die CDU. Als oberster Richter Deutschlands ist er für die Überwachung der Einhaltung des Grundgesetzes verantwortlich und prägt maßgeblich die Rechtsprechung zu Datenschutz und Grundrechten.

Was ist das Bundeskriminalamt (BKA)?
Das Bundeskriminalamt ist eine zentrale Sicherheitsbehörde Deutschlands und zuständig für die Bekämpfung schwerster Straftaten wie Terrorismus, organisierte Kriminalität und Cyberkriminalität. Es arbeitet eng mit internationalen Partnern und nationalen Polizeibehörden zusammen. Das BKA ist außerdem für den Schutz hochrangiger Staatsvertreter und die Sicherheit bei Großveranstaltungen verantwortlich. Link zur offiziellen Webseitedes BKA

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Foto: THOMAS KIENZLE / AFP