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Aktivist und Journalist Arne Semsrott vor Gericht: Streit um Pressefreiheit

Semsrott wird vorgeworfen, Gerichtsdokumente veröffentlicht zu haben, die eine laufende Strafverfolgung betreffen. Der Fall wirft grundsätzliche Fragen über die Pressefreiheit und den Umgang mit amtlichen Dokumenten auf.

Vor dem Berliner Landgericht hat am Mittwoch der Prozess gegen den Journalisten und Aktivisten Arne Semsrottbegonnen. Die Anklage wirft ihm vor, im vergangenen Jahr Originaldokumente des Amtsgerichts München auf der Plattform FragDenStaat veröffentlicht zu haben. Diese Veröffentlichung betraf Beschlüsse zu Razzien gegen die Klimaschutzgruppe Letzte Generation, die bis heute auf der Webseite einsehbar sind. Der Vorwurf: Durch die Veröffentlichung könnten die Unbefangenheit möglicher Zeugen eingeschränkt und die Unschuldsvermutunggefährdet worden sein.

Semsrott, der seit 2014 Chefredakteur von FragDenStaat ist, gab vor Gericht an, wissentlich gegen Paragraf 353dverstoßen zu haben, der es verbietet, wörtlich aus amtlichen Dokumenten laufender Strafverfahren zu zitieren. "Dieser Paragraf stammt aus der Kaiserzeit und ist nicht mehr zeitgemäß", sagte er vor Gericht. Die Veröffentlichung sei seiner Ansicht nach notwendig gewesen, um auf die "besonders schweren Grundrechtseingriffe" aufmerksam zu machen, die in den Beschlüssen aufgeführt wurden. Diese beinhalteten unter anderem die Durchsuchung bei Mitgliedern der Letzten Generation und die Überwachung des Pressetelefons der Gruppe.

Grundsatzfragen zur Pressefreiheit
Semsrott kritisierte, dass der Paragraf 353d zu "absurden journalistischen Verrenkungen" führe. Journalisten und Journalistinnen würden oft lieber auf eine Berichterstattung verzichten, um nicht Gefahr zu laufen, sich strafbar zu machen – insbesondere freie Journalisten, die nicht auf die rechtliche Unterstützung von Verlagen zurückgreifen könnten. Er stellte in Frage, ob der Paragraf noch einen wirksamen Schutz für Verfahrensbeteiligte bietet, da sie bei ungenauer Berichterstattung nicht gegen Falschdarstellungen vorgehen könnten.

Zu Prozessbeginn stellte Semsrotts Anwalt Lukas Theune den Antrag, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Der Paragraf 353d verstoße gegen die Verfassung und das Völkerrecht, indem er in die Pressefreiheit eingreife und eine authentische Berichterstattung verhindere. "Die Wissenschaftsfreiheit wird ebenfalls eingeschränkt", erklärte Theune. Für eine öffentliche Debatte sei es notwendig, den genauen Wortlaut von amtlichen Dokumenten zu verwenden.

Staatsanwaltschaft fordert Geldstrafe
Am ersten Prozesstag legte die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer vor und forderte eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 Euro gegen Semsrott. Die Verteidigung kündigte an, am Freitag ihr eigenes Plädoyer zu halten. An diesem Tag soll auch das Urteil im Fall Semsrott fallen. Der Prozess wird von zahlreichen Zuschauern verfolgt, die sich für Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit interessieren.

Der Fall im Fokus der Öffentlichkeit
Der Fall sorgt für großes Aufsehen, da er grundsätzliche Fragen über die Rolle der Presse und die Auslegung des Paragrafen 353d aufwirft. Semsrotts Plattform FragDenStaat ist bekannt dafür, Transparenz in öffentliche und politische Entscheidungen zu bringen und immer wieder juristische Auseinandersetzungen mit Behörden zu führen. Die öffentliche Diskussion über den Fall zeigt, wie wichtig eine klare Abwägung zwischen den Interessen der Strafverfolgung und den Rechten der Presse ist.

OZD / ©AFP

OZD-Kommentar:
Pressefreiheit auf dem Prüfstand: Semsrott gegen Paragraf 353d
Der Prozess gegen Arne Semsrott hat eine Debatte über die Bedeutung der Pressefreiheit und die Grenzen des Informationsrechts entfacht. Der Fall verdeutlicht, wie veraltete Regelungen aus vergangenen Zeiten Journalisten in ihrer Arbeit behindern können. Insbesondere in Fällen, bei denen es um mögliche staatliche Übergriffe auf Grundrechte geht, ist eine transparente Berichterstattung essenziell.

Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht entscheiden wird. Doch unabhängig vom Ausgang könnte der Fall dazu beitragen, dass die Diskussion über Pressefreiheit und Amtstransparenz in Deutschland weiter an Fahrt aufnimmt.

OZD-Prognose:
Das Urteil wird vermutlich Signalwirkung für zukünftige journalistische Berichterstattung in Deutschland haben. Sollte das Gericht den Paragrafen 353d in seiner aktuellen Form bestätigen, könnten investigative Journalisten in ihrer Arbeit weiterhin eingeschränkt werden. Eine mögliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könnte die Situation allerdings grundlegend verändern.

Biographien und Erklärungen:
Wer ist Arne Semsrott?
Arne Semsrott ist ein deutscher Journalist und Aktivist, der sich vor allem für Transparenz und Informationsfreiheit einsetzt. Er ist Chefredakteur der Plattform FragDenStaat, die Bürgern den Zugang zu staatlichen Informationen erleichtern soll. Wikipedia-Seite zu Arne Semsrott

Was ist FragDenStaat?
FragDenStaat ist eine deutsche Plattform, die es Bürgern ermöglicht, Informationsfreiheitsanfragen an staatliche Stellen zu stellen und zu veröffentlichen. Ziel ist es, mehr Transparenz in politische Entscheidungen und staatliches Handeln zu bringen. Website von FragDenStaat

Hinweise:
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Foto: Loic Venance / AFP