Im Zuge der anhaltenden Spannungen im Handelsstreit zwischen China und der EU hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) gefordert. "Ich halte nicht sehr viel von Zollkonflikten, das führt nicht weiter," sagte Scholz am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Er betonte, dass Handelskonflikte wieder vor der WTO gelöst werden sollten.
Die WTO sei lange Zeit ein "Konfliktaustragungsmechanismus" gewesen, der jetzt dringend wieder in Gang gesetzt werden müsse, so Scholz weiter. Besonders wichtig sei dabei, dass China auf seine Sonderrechte als Entwicklungsland verzichtet. Auch andere WTO-Mitglieder müssten sicherstellen, dass die Schiedsgerichtsverfahren der Organisation wieder reibungslos funktionierten.
Der Kanzler äußerte seine Bedenken gegenüber zusätzlichen Zöllen auf chinesische Elektroautos, die von der EU als Antwort auf unfaire Handelspraktiken Chinas beschlossen wurden. Deutschland und besonders die deutsche Autoindustrie stehen diesen Maßnahmen kritisch gegenüber. "Es wäre viel wichtiger, dafür Sorge zu tragen, dass die Welthandelsorganisation wieder funktioniert," erklärte Scholz.
Der Handelskonflikt zwischen der EU und China hat sich zuletzt weiter verschärft. China reagierte mit Strafzöllen auf Weinbrand aus Europa, nachdem die EU chinesische Elektroautos ins Visier genommen hatte. Beide Seiten haben den Streit bereits vor die WTO gebracht, doch die Verfahren dauern lange und liefern nicht immer zeitnahe Ergebnisse.
Scholz hob auch hervor, dass die Funktionsfähigkeit der WTO stark beeinträchtigt ist, insbesondere wegen der seit Jahren blockierten Berufungsinstanz des WTO-Streitbeilegungsmechanismus, welche die USA aus Protest gegen Chinas WTO-Status als Entwicklungsland blockieren. Washington wirft Peking vor, die Vorteile dieses Status zu missbrauchen.
Neben der WTO-Reform sprach Scholz sich auch für mehr Handelsabkommen innerhalb der EU aus. "Es muss mehr Handelsabkommen geben, damit Europa seine Rolle wahrnehmen kann," sagte er. Das seit Jahren ausgehandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) ist dabei ein zentrales Thema, bleibt jedoch weiterhin blockiert.
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OZD-Kommentar:
Eine funktionsfähige WTO als Schlüssel für fairen Welthandel
Olaf Scholz hat mit seinem Appell zur Reform der WTO einen Punkt getroffen, der nicht nur im Handelsstreit mit China, sondern auch in anderen globalen Konflikten von zentraler Bedeutung ist. Handelskriege und Zollkonflikte führen selten zu langfristigen Lösungen und schaden den betroffenen Volkswirtschaften. Die WTO ist das geeignete Forum, um solche Konflikte auf der Grundlage internationaler Regeln zu lösen. Doch ihre Blockade, insbesondere durch die USA, zeigt, dass die Reform dringend nötig ist, wenn der Welthandel fair und geordnet verlaufen soll.
OZD-Prognose:
In den kommenden Wochen wird der Druck auf die WTO weiter steigen, eine Lösung im Handelsstreit zwischen der EU und China zu finden. Gleichzeitig könnten Gespräche über das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten an Fahrt aufnehmen, wenn es gelingt, Blockaden zu überwinden.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Olaf Scholz?
Olaf Scholz, geboren 1958, ist seit 2021 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Er gehört der SPD an und war zuvor Vizekanzler und Finanzminister. Scholz steht für eine Politik des Ausgleichs und des wirtschaftlichen Pragmatismus. Offizielle Website: https://www.bundeskanzler.de
Was ist die Welthandelsorganisation (WTO)?
Die Welthandelsorganisation (WTO) ist eine internationale Organisation, die sich mit den Regeln des globalen Handels befasst. Sie wurde 1995 gegründet und hat derzeit 164 Mitglieder. Ihr Ziel ist es, den freien Handel zu fördern und Handelskonflikte beizulegen. Offizielle Website: https://www.wto.org
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