Angesichts der schwächelnden Konjunktur im Euroraum hat die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag erneut die Leitzinsen gesenkt. Der zentrale Leitzins, zu dem Geschäftsbanken über Nacht Geld bei der EZB parken können, liegt nun bei 3,25 Prozent – 0,25 Prozentpunkte niedriger als zuvor. Diese Entscheidung markiert die dritte Zinssenkung in diesem Jahr und soll die schwächelnde Wirtschaft im Euroraum ankurbeln.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde gab nach dem Treffen in Slowenien bekannt, dass die Entscheidung einstimmig gefallen sei. Sie betonte jedoch, dass keine Hinweise auf weitere Zinsschritte gegeben werden sollten. "Ich habe gar keine Tür geöffnet", erklärte sie und betonte, dass der EZB-Rat "datenbasiert" von Sitzung zu Sitzung entscheiden werde.
Die Wirtschaft im Euroraum entwickelte sich zuletzt schwächer als erwartet, insbesondere die Exporte und die Industrieproduktion. Trotz steigender Löhne konsumierten die Haushalte weniger. Sinkende Zinsen könnten die Finanzierungsbedingungen verbessern und die Konjunktur stimulieren.
Die Inflation innerhalb der Eurozone ist im September auf 1,7 Prozent gesunken, was den EZB-Rat zu diesem Schritt ermutigte. Die Inflation dürfte laut Lagarde in den kommenden Monaten zwar leicht anziehen, sich aber bis 2024 dem Zielwert von zwei Prozent annähern.
Wirtschaftsvertreter wie der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben, begrüßten die Entscheidung. Sie könnte zu dringend benötigten Investitionen führen, die wiederum das Wirtschaftswachstum ankurbeln könnten. Auch der Bankenverband und der Sparkassenverband lobten den Schritt, da er Spielraum für weitere Investitionen schaffe.
Allerdings gibt es unterschiedliche Meinungen über die Notwendigkeit weiterer Zinssenkungen. Silke Tobler, Inflationsexpertin des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), plädierte für eine größere Zinssenkung im Dezember um einen halben Prozentpunkt. Sie warnte davor, dass die anhaltende Wirtschaftsschwäche noch tiefgreifendere geldpolitische Maßnahmen erfordern könnte.
Auf der anderen Seite hielt der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, die Zurückhaltung der EZB für gerechtfertigt. Er verwies auf mögliche Aufwärtsrisiken bei der Inflation, insbesondere im Dienstleistungssektor, und unterstützte Lagardes vorsichtige Haltung.
Die Zinssenkung am Donnerstag war die zweite in Folge. Im Juni hatte die EZB erstmals in diesem Jahr die Zinsen gesenkt, im Juli jedoch keine weiteren Schritte unternommen. Nach der Sommerpause folgte im September die nächste Senkung. Bis Oktober 2023 hatte die EZB die Zinsen schrittweise erhöht, um auf die hohe Inflation zu reagieren.
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OZD-Kommentar:
EZB bleibt vorsichtig: Inflationsrisiken und Konjunkturschwäche im Blick
Mit der dritten Zinssenkung in diesem Jahr zeigt die Europäische Zentralbank eine vorsichtige Reaktion auf die sich abschwächende Konjunktur. Es bleibt abzuwarten, ob die Maßnahmen ausreichen, um das Wachstum zu stimulieren und die Inflation im Zielbereich zu halten.
OZD-Prognose:
Während die EZB in den kommenden Monaten flexibel agieren möchte, könnten weitere Zinssenkungen notwendig werden, falls sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert. Gleichzeitig muss jedoch auf potenzielle Inflationsrisiken geachtet werden.
Erklärungen und Hintergründe:
Warum senkt die EZB die Zinsen?
Die EZB senkt die Zinsen, um die Wirtschaft im Euroraum zu stimulieren. Niedrigere Zinsen erleichtern den Zugang zu Krediten, was Investitionen und Konsum anregen kann. Dies ist besonders wichtig, wenn die Wirtschaft stagniert oder sich abschwächt.
Wie wirkt sich die Zinssenkung auf Verbraucher aus?
Eine Zinssenkung führt in der Regel zu niedrigeren Kreditkosten, was für Verbraucher vorteilhaft ist, die Kredite oder Hypotheken aufnehmen möchten. Gleichzeitig kann es jedoch auch zu niedrigeren Sparzinsen führen.
Hinweise:
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Foto: Kirill Kudryavtsev / AFP