Nach dem Ausfall des größten Kraftwerks des Landes befindet sich Kuba im Energienotstand. Rund elf Millionen Menschen sind von einem großflächigen Stromausfall betroffen, nachdem das Wärmekraftwerk Antonio Guiteras im Westen des Landes unerwartet abgeschaltet wurde. Staatschef Miguel Díaz-Canel erklärte in einer Krisensitzung, die vom Staatsfernsehen übertragen wurde, dass die Regierung „keine Ruhe geben“ werde, bis die Stromversorgung vollständig wiederhergestellt sei.
Der Leiter der Elektrizitätsabteilung im Energieministerium, Lázaro Guerra, berichtete, dass die Abschaltung des Kraftwerks zum Zusammenbruch des gesamten Stromsystems geführt habe. Am Freitagabend gelang es der nationalen Elektrizitätsgesellschaft (UNE), mithilfe von „Mikrosystemen“ eine minimale Menge Strom zu erzeugen, um andere Kraftwerke und schwimmende Generatoren in Betrieb zu nehmen. Dies verschaffte etwa 19.000 Menschen wieder Zugang zu Elektrizität.
Die Hauptstadt Havanna, normalerweise ein pulsierendes Zentrum, wurde durch den Blackout praktisch stillgelegt. Schulen blieben geschlossen, der Verkehr kam zum Erliegen und die Ampeln fielen aus. Einige wenige Orte, wie Hotels, Krankenhäuser und private Einrichtungen mit Generatoren, konnten weiter Strom nutzen.
"Wir leben in einer schrecklichen Situation mit dieser Abschaltung", sagte Betsabe Valdes, eine 40-jährige Mutter, die mit ihrer Familie versuchte, der Hitze in ihrer Wohnung zu entkommen. Auch Rentner Eloy Font zeigte sich besorgt und betonte die Anfälligkeit des kubanischen Stromnetzes: "Es gibt keine Reserven, wir leben von der Hand in den Mund."
Kubas Präsident Díaz-Canel machte die seit 1992 bestehende US-Blockade für die derzeitige Lage mitverantwortlich. Diese erschwere es dem Land, den benötigten Brennstoff für die veralteten Kraftwerke zu beschaffen, sagte er. Kuba bezieht seinen Strom aus acht veralteten Wärmekraftwerken und sieben schwimmenden Kraftwerken, die oft ausfallen oder gewartet werden müssen.
Der Stromausfall ist ein weiteres Kapitel in der schlimmsten Wirtschaftskrise, die das Land seit drei Jahrzehnten erlebt. Neben der Energiekrise kämpft Kuba mit Lebensmittel- und Medikamentenknappheit. Am Donnerstag erreichte das Energiedefizit des Landes 50 Prozent, woraufhin die Regierung alle nicht lebensnotwendigen öffentlichen Dienstleistungen einstellte, um die Stromversorgung der Haushalte zu sichern.
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar:
Kuba im Dunkeln – Wann endet der Energienotstand?
Der großflächige Stromausfall in Kuba offenbart erneut die fragilen Strukturen des Landes, insbesondere im Energiesektor. Die Verzweiflung der Bevölkerung ist spürbar, und die Regierung scheint, trotz Versprechungen, keine kurzfristigen Lösungen anbieten zu können. Die Abhängigkeit von veralteten Kraftwerken und der Mangel an Brennstoffen, verschärft durch das seit Jahrzehnten bestehende US-Embargo, haben das Land in eine tiefe Krise gestürzt.
Ob die schrittweisen Wiederherstellungsmaßnahmen der Regierung ausreichen, um den Blackout zu beenden, bleibt abzuwarten. Doch klar ist: Ohne tiefgreifende Reformen im Energiesektor und eine Entspannung der geopolitischen Spannungen wird Kuba immer wieder in solche Krisen geraten.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Miguel Díaz-Canel?
Miguel
Díaz-Canel ist seit 2019 der Präsident Kubas und übernahm das Amt von
Raúl Castro. Díaz-Canel steht vor großen Herausforderungen, darunter die
anhaltende Wirtschaftskrise und die Energieknappheit. Er tritt für eine
Fortsetzung des kommunistischen Kurses des Landes ein.
Was ist das US-Embargo gegen Kuba?
Das
US-Embargo gegen Kuba besteht seit 1960 und wurde 1992 weiter
verschärft. Es verbietet den Handel zwischen den USA und Kuba sowie
Investitionen und Finanztransaktionen. Das Embargo hat erhebliche
Auswirkungen auf die kubanische Wirtschaft, insbesondere im
Energiesektor. Weitere Informationen auf der Wikipedia-Seite des US-Embargos gegen Kuba.
Hinweise:
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.