In einer Phase tiefgreifender Umbrüche hat die Linke auf ihrem Bundesparteitag in Halle an der Saale ein neues Führungs-Duo gewählt. Die Publizistin Ines Schwerdtner und der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken sollen die Partei aus der Krise führen. Schwerdtner erhielt 79,8 Prozent der Stimmen, van Aken 88,0 Prozent.
Mit ihrer Wahl tritt das Duo die Nachfolge von Janine Wissler und Martin Schirdewan an, die nach internen Spannungen und den schwachen Wahlergebnissen der vergangenen Jahre nicht erneut kandidiert hatten. Besonders van Aken, der sich in seiner Bewerbungsrede kämpferisch zeigte, betonte, dass die Partei „viel lebendiger“ sei, als die Wahlergebnisse vermuten ließen. Er forderte eine gerechtere Vermögensverteilung und klare Kante gegen Rassismus und Faschismus. „Ich finde, es sollte keine Milliardäre geben“, erklärte er.
Innerparteilich rief van Aken zur Geschlossenheit auf: „Schluss mit Zoff“, mahnte er an und forderte, dass interne Konflikte künftig hinter verschlossenen Türen ausgetragen werden sollten. Der 63-jährige Politiker, der bereits jahrelange Erfahrung als Bundestagsabgeordneter gesammelt hat, will so für mehr Zusammenhalt innerhalb der Partei sorgen.
Ines Schwerdtner, mit 35 Jahren die jüngere und dynamische Kraft im neuen Führungs-Duo, sprach von einer „großen Rückendeckung“, die das Wahlergebnis signalisiere. In ihrer Bewerbungsrede erklärte sie, die Linke sei „die solidarische Kraft“ in Deutschland und müsse sich wieder stärker in der Bevölkerung verankern. Schwerdtner kündigte an, dass die Linke „an hunderttausenden Haustüren klingeln“ werde, um direkt mit den Menschen über ihre Sorgen und Erwartungen zu sprechen.
Auch politisch ging sie scharf mit der Ampel-Koalition ins Gericht, die sie als „Rückschrittskoalition“ bezeichnete. Gleichzeitig nahm sie Friedrich Merz ins Visier und kritisierte dessen Vergangenheit bei dem US-Finanzkonzern Blackrock. Zudem betonte sie die Rolle der Linken als „Friedenspartei“ und „Stimme des Ostens“.
Die Wahl des Führungs-Duos fand auf einem Parteitag statt, der von intensiven Debatten über die Ausrichtung der Partei geprägt war. Der scheidende Vorsitzende Martin Schirdewan nutzte seine Abschiedsrede, um die Ampel-Regierung scharf zu kritisieren. Er warf der Koalition vor, soziale Missstände zu ignorieren und forderte ein Ende der Schuldenbremse, die er als „politischen Wahnsinn“ bezeichnete. Zudem griff er das neugegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an, das er als „rechtsdrehenden Wagenknecht-Personen-Kult“ beschrieb.
Auch inhaltlich beschloss die Partei einige zentrale Forderungen. Ein Leitantrag des Parteivorstands, der mit großer Mehrheit angenommen wurde, verlangt bezahlbares Wohnen als zentrales Handlungsfeld der Linken, eine solidarische Gesundheits- und Pflegevollversicherung, Kindergrundsicherung und höhere Renten. Bei der Diskussion um den Ukraine-Krieg bekräftigte die Linke, dass sie den russischen Angriffskrieg verurteilt, jedoch weiterhin Waffenlieferungen ablehnt und stattdessen auf diplomatische Bemühungen setzt.
Schwerdtner und van Aken stehen nun vor der Herausforderung, die Partei wieder stärker in der Bevölkerung zu verankern und innerparteiliche Konflikte zu überwinden. Der neue Bundesgeschäftsführer Janis Ehling sowie Schatzmeister Sebastian Koch sollen sie dabei unterstützen.
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OZD-Kommentar:
Kurswechsel oder Rettungsversuch? Schwerdtner und van Aken übernehmen eine gespaltene Partei
Mit Ines Schwerdtner und Jan van Aken tritt ein neues Führungs-Duo an, das vor großen Aufgaben steht. Geschlossenheit und Solidarität stehen im Zentrum ihrer Pläne, doch die internen Streitigkeiten und schwachen Wahlergebnisse der letzten Jahre haben tiefe Gräben hinterlassen. Es bleibt abzuwarten, ob die beiden charismatischen Persönlichkeiten die nötige Unterstützung finden, um die Partei wieder auf Kurs zu bringen. Insbesondere in den zentralen politischen Fragen, wie der sozialen Gerechtigkeit und der Friedenspolitik, wird es darauf ankommen, ein klares und einheitliches Profil zu präsentieren.
OZD-Prognose:
Die Wahl von Schwerdtner und van Aken könnte der Partei kurzfristig neue Energie verleihen. Besonders Schwerdtner dürfte durch ihre jugendliche Dynamik frischen Wind in die Partei bringen. Doch langfristig wird der Erfolg der neuen Führung davon abhängen, ob sie es schafft, die Gräben innerhalb der Partei zu überwinden und eine klare politische Linie zu finden, die sowohl den internen Erwartungen als auch den Bedürfnissen der Wähler gerecht wird.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Ines Schwerdtner?
Ines Schwerdtner, Jahrgang 1988, ist Publizistin und politische Aktivistin. Sie ist Chefredakteurin des Magazins Jacobinin Deutschland und war zuvor in verschiedenen politischen Bewegungen aktiv. Schwerdtner steht für eine moderne und kämpferische Linke.
Offizielle Webseite: www.inesschwerdtner.de
Wer ist Jan van Aken?
Jan van Aken, geboren 1961, ist ein erfahrener Politiker der Linken. Er war von 2009 bis 2017 Bundestagsabgeordneter und arbeitete zuvor als Biologe. Van Aken ist bekannt für seinen Einsatz in den Bereichen Abrüstung und Friedenspolitik.
Offizielle Webseite: www.janvanaken.de
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Foto: Jens Schlueter / AFP