Der Deutsche Lehrerverband hat ein positives Fazit des ersten Unterrichtstags nach der Wiedereröffnung der Schulen gezogen. Die Einhaltung der Regeln zum Schutz vor dem Coronavirus habe an den meisten Grundschulen "sehr gut geklappt", sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der "Passauer Neuen Presse" (Dienstagsausgabe). Es habe sich gezeigt, "dass auch Zehnjährige sehr wohl in der Lage sind, solche Regeln einzuhalten, wenn sie von der Notwendigkeit überzeugt sind".
Seit Montag sind in den meisten Bundesländern die Abschlussklassen sowie die letzte Klasse der Grundschulen wieder geöffnet. Meidinger nannte als Ziel, in allen Jahrgangsstufen "noch einen ordentlichen Jahresabschluss mit Zeugnissen" hinzubekommen. Allerdings werde es nicht mehr gelingen, den versäumten Stoff in den verbleibenden Wochen bis zu den Sommerferien komplett aufzuholen: "Das Aufholen der aufgelaufenen Defizite wird sich weit ins nächste Schuljahr hinein erstrecken."
Das Ziel, alle Schüler vor den Sommerferien noch einmal in die Schule zurückzuholen, sei "nur mit einem großen Kraftaufwand" zu erreichen, betonte Meidinger. Dazu sei Schichtbetrieb mit wöchentlichem oder täglichem Wechsel zwischen Schulpräsenz und Lernen zu Hause nötig. "Das wird für die Schulen eine Mammutaufgabe sein", sagte der Chef des Lehrerverbands.
Nach Einschätzung von SPD-Chefin Saskia Esken wird ein regulärer Schulbetrieb auch nach den Sommerferien vorerst weiterhin nicht möglich sein. Normaler Unterricht sei "derzeit undenkbar, auch nicht im neuen Schuljahr", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". Esken erwartet, dass die Schulen wegen des Abstandsgebots auch nach den Sommerferien lediglich einen Schichtunterricht in kleinen Gruppen anbieten können, begleitet von digital gestützten Lernangeboten für zu Hause.
"Wie lange das so bleibt, hängt womöglich davon ab, wann ein Impfstoff kommt", sagte die SPD-Vorsitzende. Über eine bundesweit einheitliche Öffnungsstrategie für Schulen und Kitas will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch mit den Regierungschefs der Bundesländer beraten.
Die Eltern von Schulkindern bräuchten jetzt "klare Strukturen, auf die sie sich verlassen und mit denen sie planen können", forderte Esken. Deshalb müssten die Schulen ein System aus Präsenz- und Fernunterricht aufbauen, das im neuen Schuljahr Bestand habe. Die verbleibende Zeit bis zu den Sommerferien sei dafür die "Entwicklungs- und Testphase". Dabei müssten sämtliche Klassenstufen einbezogen werden.
Damit das Schichtmodell gelingt, kann sich Esken auch Samstagsunterricht vorstellen: "Mit dem Samstag könnten alle Schüler drei Tage pro Woche in die Schule kommen. Auch die Eltern hätten damit einen brauchbaren Rhythmus."
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