Am Sonntag wählten die Menschen in der Republik Moldau ihr neues Staatsoberhaupt – ein politisch wegweisender Moment unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Favoritin war die amtierende Präsidentin Maia Sandu, die einen pro-westlichen Kurs vertritt und das Ziel verfolgt, Moldau in die Europäische Union zu führen. Parallel zur Präsidentschaftswahl fand ein Referendum über eine Verfassungsänderung statt, das den EU-Beitritt als nationales Ziel festschreiben soll.
Die Wahllokale schlossen um 21:00 Uhr Ortszeit, und erste Teilergebnisse wurden etwa eine Stunde später erwartet. Bis 15:00 Uhr lag die Wahlbeteiligung bei 39 Prozent. In Umfragen hatte sich Sandu mit rund 36 Prozent Zustimmung als klare Favoritin herauskristallisiert, allerdings dürfte es zu einer Stichwahl am 3. November kommen, da für einen direkten Sieg über 50 Prozent der Stimmen erforderlich wären.
"Diese Wahl wird unser Schicksal für viele Jahrzehnte bestimmen", erklärte Sandu bei ihrer Stimmabgabe am Vormittag und rief zur hohen Wahlbeteiligung auf. Die 52-jährige Präsidentin ist seit 2020 im Amt und hatte die Beziehungen zu Russland nach dem Überfall auf die Ukraine 2022 abgebrochen. Bereits kurz nach Beginn des Krieges beantragte sie den EU-Beitritt für Moldau, und seit Juni laufen die Beitrittsgespräche mit Brüssel.
Das parallel stattfindende Referendum, das den EU-Beitritt Moldaus in der Verfassung verankern soll, konnte die notwendige Wahlbeteiligung von 33 Prozent bereits am Nachmittag erreichen, wodurch das Ergebnis rechtskräftig wird. In den Umfragen hatte sich eine Mehrheit von 55,1 Prozent für die Verfassungsänderung ausgesprochen.
Die Kritiker von Sandu werfen ihr vor, dass sie die Interessen des Westens vertrete, anstatt sich auf die Bekämpfung der wirtschaftlichen Probleme und der hohen Inflation zu konzentrieren. Auch fehlende Justizreformen werden ihr angelastet. Ihre stärkster Gegenkandidat, der russlandfreundliche Ex-Staatsanwalt Alexandr Stoianoglo, vertritt eine "ausgewogene Außenpolitik". Er kritisierte die aktuelle Regierung dafür, dass sie die Energiepreise durch den Bruch mit Russland in die Höhe getrieben habe.
Sandu hingegen betonte bei ihrer Stimmabgabe, dass der Wahlausgang durch den "Willen des moldauischen Volkes" bestimmt werden müsse, und warnte vor russischen Einmischungen. Sie wirft dem Kreml regelmäßig vor, politische Manipulationen in Moldau zu unterstützen. Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock äußerte im Vorfeld Bedenken über mögliche russische Manipulationsversuche.
Ein kürzlich aufgedeckter Wahlbetrug, bei dem über 100.000 Menschen bestochen worden sein sollen, um prorussisch abzustimmen, schürte zusätzliche Spannungen. Moskau wies alle Vorwürfe kategorisch zurück. Besonders brisant ist die Lage in der abtrünnigen Region Transnistrien, die seit dem Zerfall der Sowjetunion von Moldau abgespalten ist und von Russland unterstützt wird.
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar:
Moldau vor einer historischen Wende?
Die Wahl in Moldau und das Referendum über den EU-Beitritt stehen nicht nur für eine nationale Entscheidung, sondern haben auch geopolitische Bedeutung. Die Annäherung an die EU könnte dem Land wirtschaftliche und politische Stabilität bringen, aber die Spannungen mit Russland werden unweigerlich zunehmen. Sandu steht vor der Herausforderung, das Land aus der Abhängigkeit von russischer Energie zu befreien, gleichzeitig jedoch die fragile Wirtschaft zu stabilisieren. Ihre Gegner nutzen diese Schwäche, um Stimmung gegen den Westen zu machen. Doch das Ergebnis dieser Wahl könnte das Schicksal Moldaus langfristig festschreiben – entweder als europäischer Partner oder als Spielball russischer Interessen.
OZD-Prognose:
Sollte Maia Sandu die Präsidentschaftswahl gewinnen, wird sie ihren Kurs in Richtung EU weiter forcieren. Eine Stichwahl wird jedoch wahrscheinlich erforderlich sein. Die Verfassungsänderung könnte den Beitrittsprozess zur EU beschleunigen, während sich der Druck aus Russland erhöhen dürfte. Zudem könnte es zu weiteren russischen Manipulationsversuchen kommen, um den politischen Kurs Moldaus zu beeinflussen.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Maia Sandu?
Maia Sandu ist seit 2020 Präsidentin der Republik Moldau. Zuvor arbeitete die 52-jährige Ökonomin bei der Weltbank. Sie hat die Beziehungen zu Russland weitgehend gekappt und verfolgt eine pro-europäische Außenpolitik. 2022 beantragte sie den EU-Beitritt für Moldau.
Wer ist Alexandr Stoianoglo?
Alexandr Stoianoglo ist ein ehemaliger Generalstaatsanwalt von Moldau und derzeit einer der stärksten politischen Herausforderer Sandus. Er tritt für eine außenpolitische Neutralität zwischen Ost und West ein und kritisiert Sandus pro-westliche Politik scharf.
Was ist die Europäische Union?
Die Europäische Union (EU) ist ein politischer und wirtschaftlicher Zusammenschluss von 27 europäischen Staaten. Ihr Ziel ist es, Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Europa zu fördern. Moldau strebt seit 2022 die Mitgliedschaft in der EU an.
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Foto: Daniel Mihailescu / AFP