In Moldau hat sich eine knappe Mehrheit für die Verankerung eines EU-Beitritts in der Verfassung ausgesprochen. Das "Ja"-Lager gewann das parallel zur Präsidentschaftswahl abgehaltene Referendum mit 50,46 Prozent der Stimmen, wie am Montag bekannt wurde. Der Ausgang der Abstimmung war bis zuletzt ungewiss, da zuvor ein Sieg des "Nein"-Lagers erwartet wurde. Fast 50 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an dem Referendum teil, womit das Quorum für die Gültigkeit weit überschritten wurde.
Moldaus Präsidentin Maia Sandu zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis, obwohl sie selbst bei der Präsidentschaftswahl keine absolute Mehrheit erreichte. Mit über 42 Prozent der Stimmen liegt Sandu klar vor ihrem Herausforderer, dem russlandfreundlichen Kandidaten Alexandr Stoianoglo, der 26 Prozent erhielt. Dennoch muss sich Sandu nun in einer Stichwahl am 3. November behaupten.
In einer ersten Reaktion auf die Ergebnisse sprach Sandu von einem "beispiellosen Angriff auf die Demokratie" durch ausländische Einmischung. Sie machte mutmaßliche russische Versuche für den knappen Wahlausgang verantwortlich und rief die Bevölkerung auf, bei der Stichwahl erneut für die europäische Zukunft des Landes zu stimmen.
Sandu und ihre Unterstützer beschuldigen Moskau, sich in die moldauische Politik einzumischen. Anfang des Monats deckte die moldauische Polizei einen Wahlbetrug auf, bei dem über 100.000 Menschen bestochen worden sein sollen, um im Sinne Russlands abzustimmen. Die EU warf Russland ebenfalls Einflussnahme vor und begrüßte das knappe Votum zugunsten eines EU-Beitritts.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb auf X (ehemals Twitter): „Moldau zeigt, dass es stark ist und eine europäische Zukunft will.“ Auch der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell kritisierte die "beispiellose Einmischung Russlands". Der Kreml hingegen wies die Vorwürfe zurück und forderte Sandu auf, Beweise für ihre Anschuldigungen vorzulegen.
Das kleine Land Moldau, das an die Ukraine und Rumänien grenzt, ist seit Beginn des russischen Krieges in der Ukraine stark besorgt über mögliche Angriffe aus Moskau. Die Lage in der abtrünnigen russischsprachigen Region Transnistrien bleibt ebenfalls angespannt. Moldauische Sicherheitsanalysten vermuten, dass Russland allein in diesem Jahr über hundert Millionen Dollar in die Einmischung in die moldauische Politik investiert hat.
Die Beitrittsgespräche zwischen Moldau und der EU laufen seit Juni, doch das Land steht vor einer entscheidenden Weggabelung: Wird es unter Präsidentin Sandu den proeuropäischen Kurs fortsetzen oder sich den russlandfreundlichen Kräften zuwenden?
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar:
Moldau zwischen Ost und West – Ein Land in der Schwebe
Das knappe Ergebnis des Referendums in Moldau zeigt, wie tief gespalten das Land in der Frage seiner geopolitischen Ausrichtung ist. Auf der einen Seite stehen die Pro-Europäer, die die Zukunft des Landes in enger Anbindung an die EU sehen, auf der anderen Seite die prorussischen Kräfte, die sich von Moskau beeinflussen lassen. Die anstehende Stichwahl wird zeigen, welchen Weg die moldauische Bevölkerung letztlich einschlagen will.
Die mutmaßliche russische Einflussnahme unterstreicht, dass Moskau bestrebt ist, seinen Einfluss in der Region aufrechtzuerhalten. Es bleibt abzuwarten, ob die internationale Gemeinschaft – insbesondere die EU – Moldau auf diesem Weg genügend Unterstützung bieten kann, um die Unabhängigkeit und den Willen zur Demokratie zu sichern.
Die kommenden Wochen werden entscheidend sein für die Zukunft Moldaus und seine Rolle in Europa.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Maia Sandu?
Maia
Sandu ist seit 2020 Präsidentin der Republik Moldau. Die frühere
Weltbank-Ökonomin verfolgt einen klar proeuropäischen Kurs und hat nach
dem russischen Überfall auf die Ukraine den EU-Beitritt des Landes
beantragt.
Was ist Transnistrien?
Transnistrien
ist eine abtrünnige Region im Osten Moldaus, die sich nach dem Zerfall
der Sowjetunion für unabhängig erklärte. Sie wird international nicht
anerkannt, ist aber stark von Russland unterstützt. Weitere
Informationen auf der Wikipedia-Seite zu Transnistrien.
Hinweise:
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.