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Europäischer Gerichtshof verurteilt Russland: Gesetz zu „ausländischen Agenten“ verletzt Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland wegen seines Gesetzes zu "ausländischen Agenten" verurteilt, das als stigmatisierend und einschüchternd bewertet wurde. Über 100 Kläger, darunter Menschenrechtsorganisationen, fordern Entschädigung.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen seines Gesetzes zu "ausländischen Agenten" verurteilt. Laut dem Gericht diente das Gesetz in erster Linie dazu, „zu bestrafen und einzuschüchtern.“ Es verpflichtet Nichtregierungsorganisationen, Journalisten und Wahlbeobachter, sich als "ausländische Agenten" zu registrieren, was die Richterinnen und Richter als „stigmatisierend, irreführend und unangemessen angewandt“bewerteten.

Zu den über 100 Klägerinnen und Klägern zählen der Radiosender Radio Free Europe/Radio Liberty sowie die Menschenrechtsorganisation Memorial, die sich seit über 30 Jahren mit der Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen in der Sowjetunion befasst. Der EGMR stellte fest, dass das Gesetz das Recht der Kläger auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht auf Achtung des Privatlebens verletzt.

Seit 2012 müssen politische NGOs, die ausländische Gelder empfangen, sich als "ausländische Agenten" deklarieren. Der EGMR hatte dieses Gesetz bereits 2022 als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention eingestuft. Im Jahr 2022 wurde das Gesetz zudem auf Medienorganisationen und individuelle Journalisten ausgeweitet.

Verstöße gegen die Regelungen werden mit hohen Strafen belegt. So musste der Sender Radio Free Europe/Radio Liberty rund 16 Millionen Euro zahlen. "Ausländische Agenten" dürfen zudem keine öffentlichen Ämter bekleiden, erhalten keine staatliche Unterstützung, dürfen nicht an staatlichen Institutionen lehren und keine Inhalte für Minderjährige produzieren.

Einige Organisationen, darunter auch Memorial, wurden wegen mutmaßlicher „schwerwiegender und wiederholter“Verstöße gegen die Registrierungspflicht aufgelöst. Für Einzelpersonen ist die Registrierung mit umfangreichen bürokratischen Auflagen verbunden. Das Gericht stellte fest, dass das Recht auf Achtung des Privatlebens verletzt wird, indem persönliche Daten der Kläger veröffentlicht werden und sie „häufige und detaillierte“ Finanzberichte einreichen müssen, was zur Überlastung und Einschüchterung diene.

Der EGMR ordnete an, dass Russland den Klägerinnen und Klägern Entschädigungen von bis zu 10.000 Euro zahlen soll. Der EGMR ist Teil des Europarats, des obersten Menschenrechtsgremiums in Europa, und unabhängig von der Europäischen Union. Russland wurde im März 2022 nach dem Einmarsch in die Ukraine aus dem Europarat ausgeschlossen. Das Gericht beschäftigt sich weiterhin mit Fällen, die zuvor eingereicht wurden, während das russische Parlament Änderungen verabschiedet hat, die die Umsetzung von EGMR-Entscheidungen verhindern.

OZD / ©AFP


OZD-Kommentar:

Ein starkes Zeichen für Menschenrechte

Das Urteil des EGMR gegen Russland ist ein starkes Zeichen im Kampf für die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit. Es macht deutlich, dass die internationalen Menschenrechtsstandards nicht ignoriert werden können. Die Tatsache, dass über 100 Kläger, darunter renommierte Organisationen, gegen ein repressives Gesetz vorgehen, zeigt den Mut derjenigen, die sich für ihre Rechte und die Rechte anderer einsetzen. Ob Russland das Urteil umsetzt, bleibt abzuwarten, da es bereits Maßnahmen ergriffen hat, um sich der Verantwortung zu entziehen.

OZD-Prognose:

In den kommenden Monaten könnte das Urteil des EGMR die internationale Aufmerksamkeit auf die Menschenrechtslage in Russland lenken und die Debatte über die Unterstützung von NGOs und Journalisten, die unter dem Druck des russischen Staates stehen, intensivieren. Das Schicksal der Kläger und die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft werden entscheidend sein.

Biographien und Erklärungen:

Wer ist der EGMR?
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist ein internationales Gericht, das für die Überwachung der Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention zuständig ist. Er hat die Aufgabe, individuelle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen zu prüfen und Urteile zu fällen.

Offizielle Webseite: EGMR

Was ist Memorial?
Memorial ist eine russische Menschenrechtsorganisation, die sich seit 1989 für die Aufarbeitung von Stalin-Verbrechen und die Verteidigung der Menschenrechte in Russland einsetzt. Die Organisation hat zahlreiche Preise für ihre Arbeit erhalten, steht jedoch unter dem Druck der russischen Regierung.

Hinweise:
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Foto: Alexander Nemenov / AFP