Die UN-Artenschutzkonferenz im kolumbianischen Cali ist am Wochenende nach fast zwei Wochen ohne Einigung zu zentralen Finanzierungsfragen zu Ende gegangen. Die kolumbianische Umweltministerin und Präsidentin der Konferenz, Susana Muhamad, erklärte die Veranstaltung am Samstag für beendet, nachdem das nötige Quorum für weitere Abstimmungen nicht mehr erreicht werden konnte. Trotz des abrupten Abbruchs bewertete Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) die COP16 als „klares Signal für mehr natürlichen Klimaschutz.“
Bereits am Freitagabend hatten Delegierte damit begonnen, die Konferenz zu verlassen, um Heimflüge zu erreichen. Um eine Einigung über die dringend benötigte Finanzierung des Artenschutzes zu erzielen, verlängerte Muhamad die Gespräche bis Samstag, musste jedoch später das Scheitern eingestehen. „Es sollte ‚bis zum Sieg‘ verhandelt werden,“verkündete die Umweltministerin in den frühen Morgenstunden, bevor sie am Samstag die Konferenz beendete.
Ein Sprecher der COP16 erklärte der Nachrichtenagentur AFP, dass die Verhandlungen zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden sollen, um offene Finanzierungsfragen zu klären.
Die Verhandlungen gestalteten sich schwierig: Eine große Kluft bestand zwischen den Vertretern wohlhabender und ärmerer Länder. Der von Muhamad angeregte Biodiversitätsfonds zur weltweiten Förderung des Artenschutzes wurde von der EU, der Schweiz und Japan abgelehnt. Entwicklungsländer kritisierten, dass die bisherigen Ausgleichsmechanismen sie nicht ausreichend berücksichtigten, und forderten einen explizit für Biodiversität bestimmten Fonds. Neueste Untersuchungen zeigen, dass über ein Viertel der bekannten Pflanzen- und Tierarten akut vom Aussterben bedroht ist.
Trotz der Uneinigkeit in den Kernfragen konnten zumindest zwei Teilerfolge erzielt werden: Zum einen beschlossen die Delegierten die Gründung eines Fonds, der die Gewinne aus der Nutzung von genetischen Daten biologischer Ressourcen, wie Pflanzen und Tieren, umverteilt. Dieser sogenannte „Cali Fonds“ sieht vor, dass Unternehmen, die genetische Informationen kommerziell nutzen, „einen Teil ihrer Profite oder Einnahmen in den weltweiten Fonds einzahlen“. Ab einer gewissen Einkommenshöhe sollen Unternehmen ein Prozent ihres Gewinns oder 0,1 Prozent ihres Einkommens in den Fonds einzahlen. Die Mittel sollen zur Hälfte an die Ursprungsländer der Ressourcen und zur anderen Hälfte an indigene Völker gehen. Der Beschluss gilt jedoch nur als Empfehlung und ist nicht rechtlich bindend.
Ein Beispiel für die Nutzung genetischer Daten ist der Einsatz von Vanille-Aromen, die ursprünglich von einer Pflanze stammen, die indigene Gruppen Mexikos entdeckten und nutzten. Für diese Nutzung könnten Unternehmen künftig eine finanzielle Beteiligung leisten.
Zum anderen gab es einen Durchbruch bei der Gründung eines Gremiums zur Vertretung indigener Völker. „Dies ist ein beispielloser Moment in der Geschichte der multilateralen Umweltabkommen“, kommentierte die chilenische Indigenenvertreterin Camila Romero.
Ministerin Lemke lobte die COP16 trotz der verpassten Einigung als einen „enormen Schritt zum Schutz unserer Natur.“ Um die internationalen Anstrengungen weiter zu stärken, stellten das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Bundesumweltministerium zusätzliche 90 Millionen Euro für den Globalen Naturschutzfonds (GBFF) bereit. Dieser Fonds, der 2022 ins Leben gerufen wurde, erhielt insgesamt 400 Millionen US-Dollar an Zusagen.
Umweltorganisationen wie Greenpeace und WWF zogen eine gemischte Bilanz der Konferenz. Der WWF kritisierte das Scheitern der Konferenz wegen mangelnder Beschlussfähigkeit als „Blamage.“ Greenpeace sprach von einer verstärkten Kluft zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, bedingt durch die Blockade des Biodiversitätsfonds durch die EU. Beide Organisationen begrüßten jedoch Fortschritte beim Meeresschutz: So wurde ein neues Verfahren entwickelt, um besonders schützenswerte Meeresgebiete weltweit effizienter zu identifizieren.
Rund 23.000 Delegierte hatten seit dem 21. Oktober in Cali unter dem Motto „Peace with Nature“ (Frieden mit der Natur) über Strategien zur Eindämmung des weltweiten Artensterbens sowie zur Umsetzung der bei der COP15 in Montreal beschlossenen Ziele diskutiert. Die nächste UN-Artenschutzkonferenz (COP17) soll 2026 in Armenien stattfinden.
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar:
Artenschutz vertagt – wie lange kann die Natur warten?
Das erneute Scheitern der Finanzierungsfragen wirft ein ernüchterndes Licht auf die internationalen Anstrengungen zum Artenschutz. Der Widerstand der Industrienationen gegen einen Biodiversitätsfonds verdeutlicht, wie tief die Gräben sind, und gefährdet das Vertrauen ärmerer Länder in multilaterale Abkommen. Indigene Gruppen, die am stärksten von Biodiversitätsverlust betroffen sind, erhalten durch das neue Gremium zwar eine Stimme, doch ohne umfassende Finanzierungsmaßnahmen bleiben viele Versprechen in der Schwebe.
OZD-Prognose:
Die Frage der Artenschutzfinanzierung wird wohl in den nächsten Jahren ein entscheidendes Thema der internationalen Umweltpolitik bleiben. Bleiben Fortschritte aus, könnte die politische Kluft zwischen Nord und Süd vertieft und das Artensterben dramatisch beschleunigt werden.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Susana Muhamad?
Susana Muhamad ist die kolumbianische Umweltministerin und derzeitige Präsidentin der UN-Artenschutzkonferenz COP16. Sie setzt sich als Umweltaktivistin für Biodiversität und nachhaltige Entwicklung ein. Wikipedia-Seite zu SusanaMuhamad
Was ist der Globaler Naturschutzfonds (GBFF)?
Der Globale Naturschutzfonds (GBFF) wurde 2022 als globaler Finanzierungsmechanismus ins Leben gerufen, um den Artenschutz weltweit zu unterstützen. Er wird vor allem durch Industrieländer finanziert und soll Schutzprojekte vor Ort fördern.
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Foto: JOAQUIN SARMIENTO / AFP