Die bevorstehende Wahl in den USA könnte auch auf die europäische Sicherheitslage erhebliche Auswirkungen haben. Unabhängig davon, ob Donald Trump oder Kamala Harris gewinnt, müsse Europa mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen, so der CDU-Chef Friedrich Merz. „Amerika wird nicht mehr die Ordnungsmacht sein, die es 70 Jahre lang war,“ sagte der Kanzlerkandidat im Interview mit dem Handelsblatt. Für Deutschland und Europa heißt das laut Merz, dass sie nicht nur in Sachen Verteidigung verstärkt Eigeninitiative zeigen müssen, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit schnell verbessern sollten.
Sicherheitsexperten wie Christoph Heusgen, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, unterstreichen diese Dringlichkeit: Deutschland müsse als größte Volkswirtschaft in der Europäischen Union eine Führungsrolle in Verteidigungsfragen übernehmen. Besonders der russische Angriff auf die Ukraine habe die Verwundbarkeit Europas offengelegt. „Als größte Volkswirtschaft in der Europäischen Union sollte Deutschland auch in Verteidigungsfragen eine Führungsrolle einnehmen,“ betonte Heusgen.
Emily Haber, die deutsche Botschafterin in Washington während der ersten Amtszeit Trumps, warnte vor möglichen strategischen Folgen eines erneuten Sieges Trumps. Sollte die Strategie der USA unter Trump auf eine Schwächung des europäischen Zusammenhalts zielen, könnte dies vor allem Deutschland, den größten und wirtschaftsstärksten EU-Staat, ins Visier nehmen. „Wenn die strategische Absicht die Fragmentierung des europäischen Konsenses ist, dann ist es klar, dass der größte und wirtschaftsstärkste Staat in Europa ins Visier genommen wird,“ äußerte Haber.
Kritik an der deutschen Verteidigungspolitik kam von Johann Wadephul, CDU-Außenexperte. Er bemängelte, dass die deutsche Regierung nur ein einmaliges Sondervermögen für die Bundeswehr eingerichtet habe, anstatt das Verteidigungsbudget langfristig zu erhöhen. „Es war ein gravierender Fehler, dass die Bundesregierung mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr nur einen ‚einmaligen Fonds‘ geschaffen hat,“ sagte Wadephul.
Auch die deutsch-französischen Beziehungen werden als Schwachstelle in der deutschen Außenpolitik genannt. Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht die vernachlässigte Beziehung zu Frankreich als gravierenden Fehler. „Das größte Versagen der deutschen Politik ist es, zugelassen zu haben, dass das deutsch-französische Verhältnis so schlecht ist, wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte,“ so Gabriel. Seiner Ansicht nach fehlt der EU damit ein politisches Zentrum, das die Kommission allein nicht ersetzen könne.
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OZD-Kommentar:
Deutschlands Eigenverantwortung in der Sicherheitsfrage wächst
Die europäische Sicherheitsarchitektur könnte durch die US-Wahl ins Wanken geraten, besonders wenn Donald Trump gewinnt und erneut Isolationismus betreibt. Die deutsche Politik steht unter Zugzwang: Eine nachhaltige Aufstockung des Verteidigungshaushalts wäre ein erster Schritt, um Deutschlands Position als führende Kraft in Europa zu festigen. Zugleich bleibt der Schulterschluss mit Frankreich unverzichtbar. Ohne ein starkes deutsch-französisches Bündnis könnte die EU in Zukunft Schwierigkeiten haben, sich unabhängig und geschlossen zu behaupten.
OZD-Prognose:
Falls Trump die Wahl gewinnt, ist davon auszugehen, dass Deutschland und die EU gezwungen sein werden, ihre Verteidigungspolitik in Eigenregie weiter auszubauen. Dies könnte auch einen Neustart in den deutsch-französischen Beziehungen erfordern, um der EU eine starke Führung zu verleihen.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Friedrich Merz?
Friedrich Merz ist der Vorsitzende der CDU und derzeitiger Kanzlerkandidat. Seine politischen Positionen sind stark wirtschaftsorientiert, und er plädiert für eine größere Eigenverantwortung Europas im Sicherheitsbereich. OffizielleWebsite der CDU.
Was ist die Münchner Sicherheitskonferenz?
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist eine internationale Plattform, auf der jährlich sicherheitspolitische Themen diskutiert werden. Sie gilt als wichtigstes Forum für Sicherheitsfragen und wird von führenden Politikern, Militärs und Experten besucht. Wikipedia zur Münchner Sicherheitskonferenz.
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Foto: CLEMENS BILAN / AFP