Die Vergütung von Vorständen in börsennotierten Unternehmen hat einen neuen Rekordwert erreicht. Trotz einer anhaltend schwächelnden Wirtschaft und stagnierender Umsätze und Gewinne in vielen DAX-Konzernen sind die Gehälter der Topmanager in Deutschland 2023 auf durchschnittlich 2,65 Millionen Euro gestiegen – ein Anstieg von elf Prozent. Für Firmenchefs, die im DAX, MDAX und SDAX notiert sind, bedeutete das sogar ein Plus von 16 Prozent, wodurch sich ihr Jahresgehalt auf durchschnittlich 3,7 Millionen Euro erhöhte.
Die Studie von EY zeigt eine klare Tendenz: Topmanager verdienen so viel wie nie, während der Großteil der Bevölkerung weiterhin mit unsicheren Arbeitsmärkten und steigenden Lebenshaltungskosten kämpft. Doch wie lässt sich diese Entwicklung in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit erklären?
Hintergrund:
Die Studie, die von der Beratungsfirma EY in Stuttgart durchgeführt wurde, betrachtet die Gehälter der Vorstände in den wichtigsten deutschen Aktienindizes DAX, MDAX und SDAX. Trotz des schwächelnden Wirtschaftswachstums in Deutschland und der globalen Unsicherheiten, die durch die Pandemie und geopolitische Krisen ausgelöst wurden, stiegen die Gehälter der Vorstände um 11 Prozent auf im Schnitt 2,65 Millionen Euro jährlich. Besonders auffällig ist, dass die Vergütungen von Vorstandsvorsitzenden sogar um 16 Prozent anstiegen, was für viele Beobachter eine Überraschung darstellt.
„Die sehr positive Gehaltsentwicklung vieler Vorstände im vergangenen Jahr mag auf den ersten Blick erstaunen, da die DAX-Unternehmen insgesamt eher stagnierende Umsätze und Gewinne verzeichneten“, erklärte Jens Massmann, Partner bei EY. „Aber einige Unternehmen haben dennoch beachtliche Gewinne erzielt, und in Transformationsphasen können auch temporäre Einbußen durch exzellente Leistungen des Managements kompensiert werden.“
Gehaltssteigerung trotz schwacher Bilanz:
Trotz der eher enttäuschenden Gesamtbilanz vieler Unternehmen, in denen Umsatz- und Gewinnzahlen nur mäßig stiegen oder stagnierten, wurde die Vergütung von Vorständen deutlich angehoben. Besonders bei Unternehmen, die sich in einer Umstrukturierungs- oder Transformationsphase befinden, sind solche Gehaltssteigerungen keine Seltenheit. Wenn das Management in einem schwierigen Jahr bessere Ergebnisse liefert als prognostiziert, können Gehaltsanpassungen gerechtfertigt sein.
Ein weiteres Argument für diese Gehaltsentwicklung sind die zunehmenden Anforderungen im Bereich Nachhaltigkeit. „Nachhaltigkeitsziele spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Festlegung der Vergütung“, so Massmann. „Die Vergütung wird zunehmend nicht nur am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens gemessen, sondern auch an der Erreichung umwelt- und gesellschaftspolitischer Ziele.“
Geschlechterunterschiede bei der Vergütung:
Ein interessanter Aspekt der Studie betrifft die Geschlechterverteilung. Obwohl Frauen in den Vorständen der großen börsennotierten Unternehmen immer noch eine Minderheit darstellen, verdienen sie in den wenigen Fällen, in denen sie vergleichbare Positionen innehaben, tendenziell mehr als ihre männlichen Kollegen. Im vergangenen Jahr stiegen die Gehälter der weiblichen Vorstände jedoch kaum, während die der männlichen Manager im Durchschnitt um 9 Prozent anstiegen. Dadurch verringerte sich der Gehaltsabstand zwischen den Geschlechtern, der 2022 noch bei 352.000 Euro lag, auf 160.000 Euro.
Vergütungen in den wichtigsten Indizes:
Im DAX verdienten die Vorstandsvorsitzenden im Durchschnitt 5,7 Millionen Euro, was einem Anstieg von 9 Prozent entspricht. Im MDAX stieg das Durchschnittsgehalt auf 3,5 Millionen Euro, eine Erhöhung von 17 Prozent, während die Vorstände im SDAX mit 2,1 Millionen Euro um 28 Prozent mehr verdienten als im Vorjahr.
Fazit:
Die weiterhin steigenden Gehälter der Vorstandsetagen sind ein deutliches Signal, dass die obersten Führungskräfte in Deutschlands börsennotierten Unternehmen trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten weiterhin von hohen Vergütungen profitieren. Gleichzeitig wirft die zunehmende Kluft zwischen den Gehältern der Unternehmensführung und der breiten Bevölkerung Fragen zur sozialen Gerechtigkeit und zu den langfristigen Auswirkungen auf die Unternehmensführung auf. Ob diese Gehaltsentwicklung langfristig tragbar ist, bleibt abzuwarten.
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OZD-Kommentar:
„Vorstandspower trotz Krise – ein System im Ungleichgewicht?“
Dass Vorstände trotz schwächelnder Konjunktur und stagnierender Unternehmenszahlen höhere Gehälter erzielen, wirft Fragen auf. Diese Entwicklung könnte das Vertrauen in die Unternehmensführung und die gerechte Verteilung von Wohlstand weiter untergraben. In den kommenden Monaten könnte dieser Trend zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über die Fairness von Führungsgagen führen – insbesondere vor dem Hintergrund steigender Lebenshaltungskosten und wachsender sozialer Ungleichheit.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Jens Massmann?
Jens Massmann ist Partner bei EY (Ernst & Young) und Spezialist für Unternehmensführung und Vergütungsstrategien. Er hat zahlreiche Studien und Analysen zur Vergütung von Topmanagern in Deutschland veröffentlicht. Weitere Informationen finden Sie auf der Website von EY.
Was ist der DAX?
Der DAX (Deutscher Aktienindex) ist der wichtigste Aktienindex in Deutschland und umfasst die 40 größten börsennotierten Unternehmen des Landes. Der DAX dient als Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung und das Vertrauen in den deutschen Aktienmarkt. Weitere Informationen finden Sie auf der offiziellen DAX-Website.
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