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Wirtschaftsweise raten Bundesregierung zur Erhöhung der Zukunftsausgaben

In ihrem Jahresgutachten prognostizieren sie ein Schrumpfen der Wirtschaft in diesem Jahr und eine gedämpfte Wachstumserwartung für 2025.

Die Wirtschaftsweise haben in ihrem aktuellen Jahresgutachten der Bundesregierung dazu geraten, die öffentlichen Ausgaben für zukunftsweisende Bereiche deutlich zu erhöhen. Die deutsche Volkswirtschaft leidet unter strukturellen Problemen wie einer schwächelnden Industrie und mangelnden Investitionen in zentrale Infrastrukturprojekte. Der Sachverständigenrat fordert deshalb, dass insbesondere in den Bereichen Verkehr, Bildung und Verteidigung mehr Mittel bereitgestellt werden.

Die düstere Wirtschaftslage
Das Gutachten der Wirtschaftsweisen zeichnet ein düsteres Bild der deutschen Wirtschaft. Die Prognose für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wurde deutlich nach unten korrigiert – von einem geringen Wachstum von +0,2 Prozent auf ein Minus von -0,1 Prozent für das laufende Jahr. Auch für 2025 erwarten die Wirtschaftsweisen nur ein Wachstum von 0,4 Prozent, was weit unter den ursprünglichen Erwartungen von 0,9 Prozent liegt. In den letzten fünf Jahren wuchs das BIP nur um 0,1 Prozent, während die US-Wirtschaft im gleichen Zeitraum um 12 Prozent zulegte.

Empfehlungen zur Investition in die Zukunft
Angesichts dieser schwachen konjunkturellen Entwicklung raten die Wirtschaftsweisen der Bundesregierung zu verstärkten Zukunftsinvestitionen. Dazu schlagen sie unter anderem die Einrichtung eines Verkehrsinfrastrukturfondsvor, der mit eigenen Einnahmequellen wie Mauteinnahmen oder einer Kraftstoffsteuer finanziert wird. Dieser Fonds solle genutzt werden, um die dringend notwendige Modernisierung und den Ausbau des Straßen- und Schienennetzes voranzutreiben.

Für die Bereiche Bildung und Verteidigung empfehlen die Wirtschaftsweisen, gesetzlich festgelegte Mindestquoten für die Ausgaben einzuführen. Im Bereich der Verteidigung bieten sich die Zwei-Prozent-Vorgaben der NATO an, während im Bildungsbereich etwa ein Mindestbetrag pro Schülerin und Schüler festgelegt werden könnte. Diese Quoten sollen vor allem den Ländern helfen, die für die Bildungsausgaben verantwortlich sind, eine verlässliche Grundlage für ihre Ausgaben zu schaffen.

Strukturelle Herausforderungen und der Bedarf an Reformen
Die Vorsitzende des Sachverständigenrats, Monika Schnitzer, erklärte, dass Deutschland in den vergangenen Jahren in einigen Bereichen erhebliche Versäumnisse in der Politik und der Wirtschaft erlebt habe. Als Beispiele nannte sie die steigenden Rentenbeiträge, die überlastete Infrastruktur und die enttäuschenden Ergebnisse bei internationalen Bildungsstudien wie den Pisa-Tests. Schnitzer forderte die Regierung zu einer entschlossenen Modernisierungspolitik auf, um diese Defizite zu beheben und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern.

Die Diskussion um die Schuldenbremse
Im Hinblick auf die Finanzierung dieser Ausgaben drängen die Wirtschaftsweisen auf eine Reform der Schuldenbremse. Während die bestehende Regelung des Haushaltsrechts strikte Obergrenzen für die Staatsverschuldung setzt, sprechen sich einige der Wirtschaftsweisen für eine flexible Handhabung aus, um dringend notwendige Investitionen zu ermöglichen. Schnitzer begrüßte in diesem Zusammenhang die Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz, der sich offen für eine Reform der Schuldenbremse gezeigt hatte, wenn die Investitionen einen wichtigen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands leisten.

Reaktionen aus der Politik
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommentierte die Empfehlungen der Wirtschaftsweisen positiv und betonte, dass die Vorschläge zur Finanzierung von Investitionen „von größter Bedeutung“ seien. Viele der notwendigen Maßnahmen zur Wachstumsförderung müssten jedoch noch vom Bundestag verabschiedet werden. Auch Ulrike Malmendier, Wirtschaftsweise und Expertin für Verhaltensökonomie, warnte jedoch, dass die Unsicherheit ein Hauptgrund dafür sei, dass Unternehmen und Konsumenten derzeit zu wenig investieren und ausgeben.

Fazit und Ausblick:
Die Empfehlungen der Wirtschaftsweisen verdeutlichen die dringende Notwendigkeit, dass die Bundesregierung ihre Finanzpolitik auf die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ausrichtet. Für eine nachhaltige Entwicklung sind tiefgreifende Investitionen in die Infrastruktur und Bildung erforderlich, die nur dann erfolgreich sein können, wenn auch die nötigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Wie die Politik diese Herausforderung meistern wird, bleibt abzuwarten. Doch klar ist: Die kommenden Jahre werden entscheidend für die künftige Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft Deutschlands sein.

Zitate:

Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats: „Es ist umso wichtiger, die Modernisierung unseres Landes jetzt entschlossen voranzutreiben. Die Herausforderungen sind gewaltig, aber auch dringend.“

Achim Truger, Wirtschaftsweise: „Der Bedarf an Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur dürfte in den nächsten Jahren bei dreistelligen Milliardenbeträgen liegen.“

Olaf Scholz, Bundeskanzler: „Die Vorschläge, wie man mehr Geld für Investitionen ermöglichen kann, sind von größter Bedeutung für die politische Debatte.“


OZD-Kommentar:
„Investieren oder abgehängt werden – Deutschlands Schicksalsfrage“

Die Empfehlungen der Wirtschaftsweisen könnten den entscheidenden Impuls für eine dringend benötigte Wende in der deutschen Finanzpolitik geben. Die Einsicht, dass mehr Geld in Bildung, Verkehr und Verteidigung investiert werden muss, ist längst überfällig. Doch die Umsetzung wird nicht einfach sein. Es bedarf einer klaren Priorisierung und einer breiten politischen Unterstützung, um die notwendigen Reformen zu realisieren. Wenn die Politik jetzt nicht handelt, könnte Deutschland in den kommenden Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verlieren – und das nicht nur in der Industrie, sondern auch in der globalen Innovationslandschaft.

Alle Angaben ohne Gewähr.

OZD / ©AFP

Foto: AFP