Am Samstag gingen in Frankreich zehntausende Menschen auf die Straße, um ein starkes Zeichen gegen Gewalt an Frauen zu setzen. In Paris, Marseille, Bordeaux und Lille versammelten sich die Demonstranten unter Parolen wie „Die Scham muss die Seite wechseln“ und „Nein heißt Nein“. Laut den Organisatoren nahmen landesweit rund 100.000 Menschen teil, während die Behörden von mindestens 20.000 Demonstranten sprachen.
In der französischen Hauptstadt führten die Protestzüge vom Gare du Nord zur Bastille. Auf Transparenten wiesen die Teilnehmer auf die erschreckende Häufigkeit sexueller Gewalt hin: „Alle zwei Minuten eine Metro, alle sieben Minuten eine Vergewaltigung“.
„Das ist nicht nur ein Frauenthema“, erklärte die Lokalpolitikerin Peggy Plou in Paris. Viele Demonstranten betonten, dass Männer eine entscheidende Rolle im Kampf gegen Gewalt spielen müssen. Arnaud Garcette, ein Demonstrant in Marseille, sagte: „Wir sind die Quelle des Problems und auch die Quelle der Lösungen.“
Die diesjährigen Proteste stehen im Schatten des aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozesses von Avignon. Gisèle Pelicot, heute 71 Jahre alt, wurde über zehn Jahre hinweg von ihrem Ehemann unter Drogen gesetzt und vergewaltigt. Auch Fremde waren an den Taten beteiligt. Dieser Fall, der ganz Frankreich schockierte, verdeutlicht die Dringlichkeit eines umfassenden gesetzlichen Wandels.
Die Verbände, darunter #Noustoutes und Fondation des femmes, kritisierten die aktuelle Gesetzgebung als „zerstückelt und unvollständig“. Sie fordern ein neues Rahmengesetz sowie ein Gesamtbudget von 2,6 Milliarden Euro, um Gewalt an Frauen effektiv zu bekämpfen. „Die bisherigen Mittel sind lächerlich gering und nehmen weiter ab“, warfen große Gewerkschaften wie CGT und CFDT der Regierung vor.
In Lille tanzten mehr als 800 Menschen zu Musik von Beyoncé und Aretha Franklin, um ihre Forderungen kreativ zu unterstreichen. Aktivistin Amy Bah von #Noustoutes zeigte sich ermutigt: „Im Jahr 2018 waren wir fast nur Frauen. Heute sind 30 Prozent Männer dabei. Das ist ein Fortschritt.“
Die landesweiten Proteste fanden zwei Tage vor dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen statt. Die Demonstranten erwarten von der Regierung klare Antworten und Taten. „Es muss endlich Schluss sein mit Versprechungen, die nicht eingehalten werden“, forderte eine 78-jährige Teilnehmerin in Paris.
OZD / ©AFP
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Ein Land in Bewegung: Gewalt an Frauen darf keine Privatsache bleiben
Die Proteste in Frankreich senden ein starkes Signal: Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches Problem, das klare und entschlossene Maßnahmen erfordert. Der erschütternde Fall von Gisèle Pelicot zeigt, wie tiefgreifend die Verletzungen sind – physisch, psychisch und gesellschaftlich.
Trotz lauter Versprechen fehlt es an wirksamen Maßnahmen. Die Forderung nach einem umfassenden Gesetz und höheren Budgets ist nicht überzogen, sondern dringend notwendig. Gewaltprävention und Opferunterstützung brauchen klare Strukturen und ausreichende Mittel.
Doch die Proteste haben auch Hoffnung geweckt: Dass immer mehr Männer sich an den Demonstrationen beteiligen, ist ein Zeichen des Wandels. Gewalt an Frauen darf nicht länger als privates Problem abgetan werden – es betrifft uns alle.
Biographien und ErklärungenWer ist Gisèle Pelicot?
Gisèle
Pelicot, heute 71 Jahre alt, ist eine französische Überlebende
jahrelanger Vergewaltigungen durch ihren Ehemann und Fremde. Ihr Fall
steht im Zentrum der aktuellen Proteste gegen Gewalt an Frauen in
Frankreich.
Was ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen?
Der
jährlich am 25. November begangene Aktionstag soll das Bewusstsein für
geschlechtsspezifische Gewalt schärfen und Maßnahmen dagegen fördern. Er
wurde 1999 von den Vereinten Nationen eingeführt.
Was ist #Noustoutes?
#Noustoutes
ist eine französische Bewegung, die sich für die Rechte von Frauen und
gegen Gewalt einsetzt. Sie organisiert Demonstrationen und setzt sich
für politische Reformen ein. Mehr dazu auf Wikipedia.
Alle Angaben ohne Gewähr.
Titelbild/Foto: AFP