Am Mittwochmorgen wurde im Nahen Osten ein historischer Schritt vollzogen: Nach jahrelangen erbitterten Kämpfen trat eine Waffenruhe zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah in Kraft. Die Feuerpause, die um 04:00 Uhr Ortszeit begann, wurde von internationalen Stimmen wie US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als Wendepunkt für die Region gefeiert. Doch wie stabil ist diese Einigung wirklich?
Das israelische Sicherheitskabinett billigte die Waffenruhe am Dienstagabend. Laut US-Regierungsvertretern sieht die Vereinbarung vor, dass sich Israel innerhalb von 60 Tagen schrittweise aus dem Südlibanon zurückzieht. Die Hisbollah, die das Grenzgebiet räumen soll, hatte nicht direkt an den Verhandlungen teilgenommen, sondern wurde von Libanons Parlamentspräsident Nabih Berri vertreten.
Im Gegenzug übernimmt die libanesische Armee die Kontrolle über das Grenzgebiet, um die Sicherheit Israels zu gewährleisten. Diese Maßnahmen sollen nicht nur die Spannungen im Libanon abbauen, sondern auch langfristig den gesamten Nahen Osten stabilisieren.
Joe Biden sprach von einem „Neuanfang“ für den Libanon und stellte zugleich weitere Bemühungen für einen Waffenstillstand im Gazastreifen in Aussicht. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bezeichnete die Einigung als „Lichtblick“ für die Region, während EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von einer Chance für „Stabilität und Sicherheit“ sprach.
Während die libanesische Regierung das Abkommen als „grundlegenden Schritt“ feierte, reagierte die Hisbollah zurückhaltend. Die Miliz hatte kurz vor der Feuerpause noch Drohnenangriffe auf Tel Aviv gemeldet und sieht sich weiterhin als Schutzmacht gegen Israel.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu betonte, dass sein Land trotz der Einigung militärische Handlungsfreiheit behalte. Ein Bruch der Waffenruhe durch die Hisbollah werde nicht toleriert.
Seit Beginn der Kämpfe wurden laut libanesischen Angaben über 3800 Menschen getötet, während Israel den Verlust von 129 Menschen beklagte. Der Konflikt trieb Hunderttausende Menschen in die Flucht und zerstörte zahlreiche Gemeinden auf beiden Seiten der Grenze.
Die UN warnte, dass erhebliche Arbeit nötig sei, um die Vereinbarung umzusetzen. Frankreichs Präsident Macron drängte auf politische Reformen im Libanon, um das Machtvakuum zu füllen.
OZD/AFP
OZD-Kommentar:
Ein fragiler Frieden mit Potenzial
Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah ist zweifellos ein hoffnungsvolles Signal. Doch die Erfahrung zeigt, dass ähnliche Abkommen in der Vergangenheit oft scheiterten, weil der politische Wille zur Umsetzung fehlte oder externe Akteure intervenierten.
Die Stabilität der Region hängt maßgeblich davon ab, ob die libanesische Armee ihre Rolle effektiv wahrnehmen kann und ob die Hisbollah tatsächlich bereit ist, ihre militärischen Aktivitäten einzuschränken. Israels anhaltende Drohung, „militärische Handlungsfreiheit“ zu wahren, könnte wiederum die Spannungen aufrechterhalten.
In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob diese Waffenruhe mehr ist als nur eine taktische Pause. Eine nachhaltige Lösung erfordert politische Reformen im Libanon und ein klares Signal der internationalen Gemeinschaft gegen jegliche Verstöße. Der Weg zu einem stabilen Nahen Osten bleibt lang und steinig.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Joe Biden?
Joe Biden ist der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Als Demokrat hat er eine lange politische Karriere hinter sich und setzt sich besonders für Diplomatie und internationale Kooperation ein. Mehr unter whitehouse.gov.
Wer ist Benjamin Netanjahu?
Benjamin Netanjahu ist der Premierminister Israels. Er gilt als einer der erfahrensten Politiker des Landes und steht für eine harte Linie gegenüber der Hisbollah und dem Iran. Mehr unter gov.il.
Was ist die Hisbollah?
Die Hisbollah ist eine schiitische Miliz und politische Partei im Libanon, die enge Verbindungen zum Iran pflegt. Sie wird von Israel, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Mehr unter Wikipedia.
Was ist die libanesische Armee?
Die libanesische Armee ist die nationale Verteidigungsstreitkraft des Libanon und soll gemäß der neuen Vereinbarung die Kontrolle im Grenzgebiet übernehmen. Mehr unter lebarmy.gov.lb.
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