Die Bundesregierung hat am Mittwoch den Entwurf für ein Gewalthilfegesetz beschlossen, das den Schutz für Frauen und andere Betroffene von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt erheblich verbessern soll. Das Gesetz aus dem Haus von Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) sieht einen individuellen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe vor und soll das Hilfesystem in Deutschland nachhaltig stärken. Zu den geplanten Maßnahmen zählen unter anderem der Ausbau von Frauenhäusern, Schutzwohnungen und Beratungsstellen.
Nach Angaben der Frauenhaus-Statistik fehlen in Deutschland derzeit mehr als 14.000 Plätze in Frauenhäusern. Mit dem neuen Gesetz sollen die Bundesländer verpflichtet werden, ein ausreichendes Angebot an Schutz- und Beratungsmöglichkeiten sicherzustellen. Die Initiative ist dringend notwendig, denn die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut Bundeskriminalamt (BKA) stieg die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt im Jahr 2023 auf 256.276 – ein Anstieg um 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei waren 70,5 Prozent der Opfer Frauen und Mädchen.
Besonders erschreckend ist die Zahl der Femizide: 360 Frauen wurden 2023 allein aufgrund ihres Geschlechts getötet. Dies entspricht fast einem Femizid pro Tag in Deutschland. Von häuslicher Gewalt und Partnerschaftsgewalt sind laut Statistik überwiegend Frauen betroffen, mit einem Anteil von 79,2 Prozent.
Das Gewalthilfegesetz soll jedoch nicht nur Frauen unterstützen, sondern auch Männer sowie trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, die ebenfalls Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt werden können.
Obwohl das Kabinett den Gesetzentwurf beschlossen hat, ist unklar, ob das Gesetz noch vor der Bundestagswahl im Februar verabschiedet werden kann. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition fehlt der rot-grünen Regierung die Mehrheit im Bundestag, sodass Stimmen der Opposition nötig sind. Die Unionsfraktion hat jedoch bereits signalisiert, nur in wenigen Ausnahmefällen Gesetze mitzutragen. Bundesfrauenministerin Paus und zahlreiche Organisationen setzen sich daher verstärkt für eine zügige Verabschiedung des Gesetzes ein.
Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt, um Betroffenen von Gewalt endlich den Schutz und die Hilfe zu bieten, die sie benötigen. Doch ohne politische Einigung könnte das Gesetz in der Schwebe bleiben – mit gravierenden Folgen für tausende Gewaltopfer in Deutschland.
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OZD-Kommentar:
Gewalthilfegesetz: Ein notwendiger Schritt, der nicht blockiert werden darf
Die Zahlen sind schockierend: Über 256.000 Opfer häuslicher Gewalt allein im Jahr 2023, davon 360 Femizide. Diese Statistiken sind keine abstrakten Daten – sie stehen für reale Menschen, für Frauen und Mädchen, die Gewalt und Tod erfahren haben, oft im engsten Umfeld. Angesichts dieser alarmierenden Realität ist das Gewalthilfegesetz der Bundesregierung nicht nur ein wichtiges Signal, sondern eine überfällige Maßnahme.
Der geplante individuelle Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe sowie der Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen könnten endlich eine Lücke schließen, die in Deutschland seit Jahren klafft. Doch der Erfolg dieses Gesetzes hängt von politischem Willen ab – und genau hier droht das Vorhaben zu scheitern.
Dass die Union signalisiert, das Gesetz möglicherweise zu blockieren, ist ein fatales Zeichen. Politische Taktik darf nicht über den Schutz von Gewaltopfern gestellt werden. Jede Verzögerung, jede Blockade verschärft die Notlage derjenigen, die auf Hilfe angewiesen sind. Die Opfer haben keine Zeit, auf politische Kompromisse zu warten – sie brauchen Schutz, und zwar jetzt.
Die Verantwortung liegt nicht nur bei der Bundesregierung, sondern bei allen Parteien im Bundestag. Wer dieses Gesetz aus parteitaktischen Gründen behindert, macht sich mitschuldig an einem System, das Gewaltopfer im Stich lässt. Deutschland kann und muss hier ein Vorbild sein – nicht nur in Worten, sondern durch entschlossenes Handeln.
Biographien und Erklärungen
Was ist das Gewalthilfegesetz?
Das
geplante Gewalthilfegesetz sieht einen individuellen Rechtsanspruch auf
Schutz und Hilfe für Opfer geschlechtsspezifischer und häuslicher
Gewalt vor. Es soll das Hilfesystem ausbauen und die Länder
verpflichten, ausreichend Schutzangebote bereitzustellen.
Was sind Femizide?
Als
Femizide werden Morde an Frauen bezeichnet, die aufgrund ihres
Geschlechts begangen werden. Sie sind eine extreme Form
geschlechtsspezifischer Gewalt.
Wer ist Lisa Paus?
Lisa
Paus (Grüne) ist Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend. Sie setzt sich unter anderem für den Schutz vor
geschlechtsspezifischer Gewalt ein.
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