EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentierte am Mittwoch in Straßburg ihre Pläne für die neue EU-Kommission. Mit einer klaren Agenda zu Wirtschaft, Verteidigung und Klimaschutz warb sie um Unterstützung der Abgeordneten – doch nicht ohne Gegenwind.
Angesichts des anhaltenden Ukraine-Kriegs hob von der Leyen die Notwendigkeit höherer Verteidigungsausgaben hervor. Während Russland rund 9 % seines Bruttoinlandsprodukts für Rüstung aufwendet, beträgt der Anteil der EU lediglich 1,9 %. "Unsere Verteidigungsausgaben müssen steigen", erklärte sie. Die Kommissionspräsidentin hatte bereits im Juli ihre zweite Amtszeit gesichert und möchte die Sicherheit Europas als zentrales Thema ihrer Regierung etablieren.
Von der Leyen betonte zudem, dass Europas Freiheit und Unabhängigkeit von seiner wirtschaftlichen Stärke abhängen. Um die angeschlagene Wirtschaft zu revitalisieren, plant sie unter anderem einen "strategischen Dialog" mit der europäischen Autoindustrie. "Europas Autoindustrie ist Europas Stolz", sagte sie, und Millionen von Arbeitsplätzen hingen von deren Zukunft ab.
Die Kommission werde außerdem Startups unterstützen und Gesetze für klimafreundlichere Industrien erarbeiten. Ein besonderer Fokus liege dabei auf der Nutzung von Wasserstoff und der Förderung von Recycling wichtiger Rohstoffe.
Scharfe Kritik gab es an der Nominierung des italienischen Rechtspolitikers Raffaele Fitto als stellvertretenden Kommissionspräsidenten. Fitto, Mitglied der postfaschistischen Partei von Giorgia Meloni, soll die Regionalfördergelder der EU verwalten. "Sie können Europa nicht mit denen aufbauen, die es zerstören wollen", warnte die sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Iratxe García.
Auch die Grünen-Fraktion äußerte Bedenken. Dennoch wolle eine knappe Mehrheit für die Kommission stimmen, da von der Leyen Zusagen in den Bereichen Klimapolitik und Rechtsstaatlichkeit gemacht habe.
Vertreter des rechtsnationalen Lagers kritisierten die Kommission scharf. Die AfD-Abgeordnete Christine Anderson bezeichnete von der Leyen als "Abrissbirne". Andere warfen ihr vor, die EU in eine militärische Eskalation im Ukraine-Krieg zu treiben.
Trotz Kritik und Abweichlern gilt die Mehrheit für von der Leyens Team als gesichert. Die großen Fraktionen – Europäische Volkspartei, Sozialdemokraten und Liberale – hatten sich im Vorfeld auf die Unterstützung geeinigt. Sollte die Kommission bestätigt werden, kann sie am 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen.
OZD/AFP
OZD-Kommentar:
Von der Leyens Team: Chance auf Stabilität oder Blockade?
Ursula von der Leyens zweites Team ist ambitioniert – inhaltlich und personell. Der Fokus auf Verteidigung und Wirtschaft ist angesichts geopolitischer Unsicherheiten und wachsender Konkurrenz aus den USA und China richtig. Doch interne Konflikte, insbesondere die Nominierung des umstrittenen Raffaele Fitto, könnten die Zusammenarbeit erschweren.
Von der Leyens Fähigkeit, unterschiedliche politische Lager zu vereinen, wird entscheidend sein. Europa braucht Stabilität, klare Strategien und die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen. Doch es bleibt abzuwarten, ob das Team die Herausforderungen tatsächlich bewältigen kann.
Die kommenden Wochen werden zeigen, wie geschlossen das Parlament hinter der neuen Kommission steht und ob die angekündigten Reformen zügig umgesetzt werden können.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Ursula von der Leyen?
Ursula von der Leyen ist seit 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission und die erste Frau in diesem Amt. Zuvor war sie deutsche Verteidigungsministerin und Mitglied der CDU.
Wer ist Raffaele Fitto?
Raffaele Fitto ist ein italienischer Politiker der Partei Fratelli d’Italia, die als postfaschistisch gilt. Als Stellvertreter von der Leyens soll er die milliardenschweren EU-Regionalfördergelder verwalten.
Was ist die Europäische Kommission?
Die Europäische Kommission ist das Exekutivorgan der EU. Sie setzt EU-Recht um, verwaltet den Haushalt und schlägt neue Gesetze vor.
Was ist die Europäische Volkspartei (EVP)?
Die EVP ist die größte Fraktion im Europaparlament und repräsentiert konservative Parteien wie CDU und CSU.
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