Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der FDP und ihrem Vorsitzenden Christian Lindner gezielte Sabotage gegen die Ampel-Regierung vorgeworfen. Bei einer Veranstaltung in Berlin zum Auftakt des SPD-Bundestagswahlkampfes ließ Scholz am Samstag keine Zweifel daran, wen er für das Scheitern der Dreier-Koalition verantwortlich macht. „Die wollten aktiv verhindern, dass diese Bundesregierung erfolgreich ist“, sagte der Kanzler vor Anhängern und erklärte: „So etwas darf in Deutschland nie wieder passieren.“
Mit Blick auf die derzeitigen Krisen betonte Scholz, dass das Land keine Politiker vertragen könne, die „spielen und zocken“. Eine solche Haltung sei unverantwortlich und habe die Ampel unnötig belastet. Der Schritt, Lindner als Bundesfinanzminister zu entlassen, sei deshalb „notwendig und richtig“ gewesen. „Wir brauchen verantwortungsvolle Politik und keine destruktiven Intrigen“, fügte Scholz hinzu.
Die Entlassung Lindners durch Scholz am 6. November markierte das Ende der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Der Ex-Finanzminister hatte nur wenige Tage zuvor ein 18-seitiges Forderungspapier veröffentlicht, das sowohl von SPD als auch Grünen als direkter Affront gegen die Regierung bewertet wurde. In diesem Papier skizzierte Lindner einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel, der viele der bisherigen Ampel-Beschlüsse konterkarierte.
Die Situation eskalierte, als Berichte über interne Strategiepapiere der FDP publik wurden. Diese zeigten, dass die Liberalen gezielt auf den Bruch der Koalition hinarbeiteten, während sie offiziell noch Teil der Ampel-Regierung waren. In einem dieser Papiere, bekannt als „D-Day-Papier“, wurden Szenarien für ein möglichst vorteilhaftes Ausscheiden aus der Regierung durchgespielt. Die Veröffentlichung sorgte für massiven Unmut in den Reihen der SPD und der Grünen.
Scholz nutzte seine Rede, um die verbleibenden Monate bis zur Bundestagswahl im Februar als Wendepunkt zu beschwören. Die SPD werde für „eine klare und verantwortungsvolle Politik“ stehen, die das Land voranbringe. Die Angriffe auf die FDP und Lindner dürften dabei auch als Versuch gewertet werden, enttäuschte Wähler aus dem Mitte-Rechts-Lager zu gewinnen.
Die FDP, die sich nach dem Ende der Ampel in einer tiefen Krise befindet, wies die Vorwürfe zurück. Ein Sprecher der Partei erklärte, Scholz versuche lediglich, von eigenen Fehlern und dem Stillstand der Regierung abzulenken. Lindner selbst äußerte sich bislang nicht zu den jüngsten Anschuldigungen.
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OZD-Kommentar:Scholz gegen Lindner: Politisches Nachtreten oder berechtigte Kritik?
Olaf Scholz schießt scharf – doch sind seine Vorwürfe gegen Christian Lindner und die FDP wirklich gerechtfertigt? Die Veröffentlichung des sogenannten „D-Day-Papiers“ und Lindners Forderungspapier sprechen eine deutliche Sprache: Die FDP hat den Bruch der Ampel nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern gezielt darauf hingearbeitet.
Doch die Frage bleibt, ob Scholz nicht selbst eine Mitschuld an der gescheiterten Koalition trägt. Der Stillstand in zentralen politischen Projekten wie dem Klimaschutz oder der Digitalisierung war nicht allein Lindners Werk. Die SPD und die Grünen schafften es nicht, eine klare Linie durchzusetzen, während die FDP gezielt die Schwächen der Koalition ausnutzte.
Der Vorwurf der Sabotage ist schwerwiegend – und könnte
der SPD helfen, im Wahlkampf die moralische Oberhand zu gewinnen. Doch
die Wähler könnten ebenso kritisch fragen, warum Scholz nicht früher
klare Kante gegen einen offensichtlich unkooperativen Koalitionspartner
gezeigt hat. Der Versuch, die Schuld allein bei der FDP zu suchen,
könnte am Ende nicht ausreichen, um die eigene Bilanz zu retten. Könnte das auch rechtlich relevant werden?
Wer ist Olaf Scholz?
Olaf
Scholz ist seit 2021 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der
SPD-Politiker war zuvor Vizekanzler und Bundesfinanzminister in der
Großen Koalition unter Angela Merkel.
Was war das „D-Day-Papier“?
Das
„D-Day-Papier“ war ein internes Strategiepapier der FDP, das Szenarien
für einen gezielten Bruch der Ampel-Koalition skizzierte. Es wurde nach
dem Ende der Regierung veröffentlicht und sorgte für heftige Kritik an
der Partei.
Warum wurde Lindner entlassen?
Christian
Lindner wurde am 6. November 2023 von Olaf Scholz als
Bundesfinanzminister entlassen. Grund waren anhaltende Konflikte
innerhalb der Regierung und die Veröffentlichung eines umstrittenen
Forderungspapiers durch Lindner, das als Affront gegen die Ampel
bewertet wurde.
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