Salome Surabischwili, die pro-europäische Präsidentin Georgiens, weigert sich, ihr Amt niederzulegen, bevor die umstrittene Parlamentswahl vom Oktober nicht wiederholt wird. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP erklärte sie, dass ihr Mandat weiterbestehen werde, "so lange es keine neuen Wahlen gibt und ein Parlament, das einen neuen Präsidenten nach neuen Regeln wählt". Der politische Streit entzündet sich an den Ergebnissen der Parlamentswahl, die von Betrugsvorwürfen überschattet waren. Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte trotz dieser Vorwürfe den Sieg für sich beansprucht.
Der Parlamentssieg der Regierungspartei rief nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei Surabischwili Zweifel hervor. Sie hatte das Wahlergebnis als verfassungswidrig eingestuft und vor dem Verfassungsgericht Einspruch eingelegt. Am vergangenen Dienstag wurde von den Abgeordneten in Tiflis der 14. Dezember als Termin für die Wahl des neuen Präsidenten festgelegt – eine Entscheidung, die von der Opposition boykottiert wurde. Laut rechtlichen Experten ist das Vorgehen des Parlaments jedoch ungültig, solange das Verfassungsgericht über den Antrag von Surabischwili noch nicht entschieden hat.
Ein zentraler Punkt in diesem politischen Konflikt ist die Wahl des Präsidenten in Georgien. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes soll der Präsident nicht mehr direkt vom Volk gewählt werden, sondern von einer 300-köpfigen Wahlversammlung. Diese setzt sich aus 150 Parlamentsabgeordneten sowie Vertretern aus den lokalen und regionalen Verwaltungen zusammen. Diese Änderung der Wahlmethoden war das Ergebnis einer 2017 durchgeführten Verfassungsreform, die von der Regierungspartei Georgischer Traum vorangetrieben wurde.
Die neue Wahlordnung stärkt die Kontrolle der Regierungspartei, da zu erwarten ist, dass der zukünftige Präsident eine enge politische Ausrichtung zu den Interessen von Premierminister Irakli Kobachidse und seiner Partei haben wird. Die Wahlversammlung soll am 29. Dezember den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin bestimmen. Die Amtszeit des neuen Staatsoberhaupts wird fünf Jahre betragen.
Der politische Konflikt in Georgien hat sich damit weiter zugespitzt. Surabischwili bleibt fest entschlossen, ihren Rücktritt erst dann in Betracht zu ziehen, wenn das Verfassungsgericht das Wahlergebnis für ungültig erklärt hat und eine neue Wahl festgelegt wird. Dieser Kampf um die politische Macht wird das Land in den kommenden Wochen weiter beschäftigen.
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OZD-Kommentar: Machtkampf in Georgien – Ein gefährliches Spiel mit der Demokratie
Der anhaltende Streit um die Parlamentswahl in Georgien und die Weigerung von Präsidentin Salome Surabischwili, ihr Amt ohne eine Wiederholung der Wahl zu räumen, werfen einen Schatten auf die politische Stabilität des Landes. Mit der Entscheidung, die Wahl für ungültig zu erklären, und der Weigerung, die Wahl des neuen Präsidenten ohne juristische Klärung zu akzeptieren, geht Surabischwili einen riskanten Weg.
Das neue Wahlverfahren, das es der Regierungspartei ermöglicht, ihren Kandidaten mit Unterstützung einer politischen Elite zu wählen, ist nicht nur ein klarer Verstoß gegen die Prinzipien der direkten Demokratie, sondern könnte auch die westlichen Bestrebungen Georgiens gefährden. Die Rolle der Präsidentin als pro-europäische Stimme im Land könnte mit einem neuen Staatsoberhaupt, das enger an den Regierungsinteressen orientiert ist, untergraben werden. Dies könnte zu einer weiteren Verschiebung hin zu autoritären Tendenzen führen und das geopolitische Gleichgewicht in der Region erschüttern.
In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob Surabischwilis Widerstand die notwendige rechtliche und politische Unterstützung findet oder ob die von der Regierung angeführte Wahlversammlung tatsächlich die Macht übernimmt und die Demokratie Georgiens weiter aushöhlt.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Salome Surabischwili? Salome Surabischwili wurde 1950 in Paris geboren und ist seit 2018 Präsidentin Georgiens. Sie ist eine pro-europäische Politikerin und ehemalige Außenministerin des Landes. Surabischwili hat sich insbesondere für die Integration Georgiens in die Europäische Union und die NATO eingesetzt. Ihre politische Karriere ist geprägt von einem starken Bekenntnis zur Demokratie und einem Widerstand gegen den Einfluss Russlands auf Georgien.
Was ist die Partei Georgischer Traum? Die Partei Georgischer Traum (Georgian Dream) wurde 2012 gegründet und ist eine sozialdemokratische politische Kraft in Georgien. Sie wurde von dem Unternehmer Bidzina Iwanischwili ins Leben gerufen und hat seitdem die politische Landschaft des Landes dominiert. Die Partei verfolgt eine Politik der wirtschaftlichen Modernisierung, jedoch auch der Annäherung an Russland, was zu Spannungen mit pro-westlichen Kräften geführt hat.
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