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Klimaschutz vor Gericht: Höchstes UN-Gericht berät über Verantwortung der Staaten

Das Völkerrecht am Wendepunkt: UN-Gericht entscheidet über Klima-Pflichten im historischen Verfahren

In Den Haag haben vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) Anhörungen begonnen, die von globaler Bedeutung für den Klimaschutz sein könnten. Die Richter des höchsten UN-Gerichts sollen klären, inwieweit Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind, gegen den Klimawandel vorzugehen, und welche juristischen Konsequenzen drohen, wenn diese Verpflichtungen missachtet werden. Mehr als 100 Staaten und Organisationen nehmen an dem Verfahren teil – ein Rekord. Auch Vertreter der größten Emittenten von Treibhausgasen, darunter die USA, China und Indien, sind geladen.

Für Ralph Regenvanu, den Klimabeauftragten des vom Klimawandel stark betroffenen Inselstaates Vanuatu, ist das Verfahren historisch. "Der Ausgang dieses Verfahrens wird über Generationen hinweg nachhallen und das Schicksal von Nationen wie der meinen bestimmen", sagte er vor den Richtern des IGH. Kleine Inselstaaten wie Vanuatu oder Tonga kämpfen mit den dramatischen Folgen des Klimawandels, etwa durch steigende Meeresspiegel und immer häufiger auftretende Naturkatastrophen.

Vor dem Friedenspalast in Den Haag versammelten sich Klimaaktivisten, um das Verfahren zu verfolgen. Sie hielten Plakate mit Forderungen wie "Finanziert unsere Zukunft - Klimafinanzierung jetzt" hoch. Siosiua Veikune, eine 25-jährige Aktivistin aus Tonga, betonte die Bedeutung der Anhörung: "Für die Bewegung für Klimagerechtigkeit bedeutet das alles."

Hintergrund der Anhörungen ist eine Resolution der UN-Generalversammlung aus dem vergangenen Jahr. Diese legte dem IGH zwei zentrale Fragen vor: Welche völkerrechtlichen Verpflichtungen haben Staaten im Klimaschutz? Und welche juristischen Folgen ergeben sich, wenn diese Verpflichtungen nicht eingehalten werden und es zu Klimaschäden kommt? Ein Gutachten wird für das kommende Jahr erwartet.

Die Erwartungen an die Entscheidung sind hoch. Aktivisten hoffen auf ein wegweisendes Gutachten, das nationale und internationale Klimapolitik stärker in die Verantwortung nimmt. "Das Gericht wird eine rechtliche Blaupause liefern, die Prozesse weltweit beeinflussen könnte", erklärte Joie Chowdhury vom Zentrum für Internationales Umweltrecht.

Allerdings gibt es auch Skepsis: Die Beratungen könnten sich Monate oder Jahre hinziehen, und das Gutachten wird rechtlich nicht bindend sein. Dennoch könnte es moralischen Druck auf Regierungen erhöhen und als Grundlage für weitere Klagen dienen.

Die Anhörungen finden inmitten globaler Klimasorgen statt. Laut Global Carbon Project erreichen die CO2-Emissionen durch fossile Brennstoffe in diesem Jahr einen neuen Rekordwert. Das Ziel des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, rückt damit in immer weitere Ferne.

Die Dringlichkeit des Klimaschutzes wurde zuletzt auf der UN-Klimakonferenz in Baku unterstrichen, wo Industriestaaten zusagten, bis 2035 jährlich 300 Milliarden Dollar für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern bereitzustellen. Diese Summe blieb jedoch weit hinter den Forderungen der betroffenen Länder zurück, die jährlich 1,3 Billionen Dollar verlangt hatten.

OZD-Kommentar

Klimaschutz vor Gericht: Hoffnung oder leere Versprechungen?

Die Anhörungen vor dem Internationalen Gerichtshof sind ein Meilenstein in der Geschichte des Klimaschutzes. Erstmals wird die Frage geklärt, ob Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind, ihre Emissionen zu reduzieren und die Klimafolgen zu begrenzen. Doch die Erwartungen könnten enttäuscht werden.

Ein Gutachten des IGH könnte moralischen Druck auf Staaten erhöhen, aber es wird nicht ausreichen, um Regierungen zur Umsetzung konkreter Maßnahmen zu zwingen. Besonders die größten Emittenten – USA, China, Indien – haben wenig Interesse an bindenden Verpflichtungen, die ihre Wirtschaft beeinträchtigen könnten. Für Inselstaaten wie Vanuatu, die mit dem Klimawandel um ihr Überleben kämpfen, ist das Verfahren jedoch ein letztes Mittel, um Aufmerksamkeit und Unterstützung zu gewinnen.

Die internationale Gemeinschaft muss den Klimaschutz endlich ernst nehmen. Rekord-Emissionen und unzureichende Klimafinanzierung zeigen, wie groß die Kluft zwischen Versprechen und Taten ist. Ohne klare Verantwortlichkeiten und harte Konsequenzen wird das Ziel des Pariser Abkommens unerreichbar bleiben.

Prognose:
Das Gutachten des IGH könnte ein Präzedenzfall werden, der nationale und internationale Klagen gegen umweltschädliche Praktiken beflügelt. Doch kurzfristig werden Regierungen wohl nur symbolische Maßnahmen ergreifen. Der Druck durch Aktivisten und betroffene Staaten dürfte jedoch zunehmen – die Klimakrise macht keine Pause.

Biographien und Erklärungen

Wer ist Ralph Regenvanu?
Ralph Regenvanu ist ein Politiker und Klimabeauftragter des pazifischen Inselstaates Vanuatu. Er setzt sich international für Klimagerechtigkeit ein und fordert verbindliche Maßnahmen zur Unterstützung der vom Klimawandel besonders bedrohten Inselstaaten.
Offizielle Webseite von Vanuatu

Was ist der Internationale Gerichtshof (IGH)?
Der Internationale Gerichtshof ist das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen. Er hat seinen Sitz im Friedenspalast in Den Haag und befasst sich mit Rechtsstreitigkeiten zwischen Staaten sowie mit Gutachten zu völkerrechtlichen Fragen.
Wikipedia-Seite des IGH

Was ist das Global Carbon Project?
Das Global Carbon Project ist eine Forschungsinitiative, die Daten über die globalen CO2-Emissionen sammelt und analysiert. Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen bereitzustellen.
Offizielle Webseite des Global Carbon Project

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP