In Südkorea hat Präsident Yoon Suk Yeol überraschend das Kriegsrecht ausgerufen und das Parlament in der Hauptstadt Seoul abgeriegelt. Hubschrauber landeten auf dem Dach des Parlamentsgebäudes, politische Aktivitäten wurden komplett untersagt, und alle Medien unterliegen der Kontrolle der Regierung. Der Befehlshaber des Kriegsrechts, Park An Su, erklärte in einer Mitteilung, dass die Maßnahme die gesamte politische Landschaft betrifft: "Alle politischen Aktivitäten, einschließlich derjenigen der Nationalversammlung, der Gemeinderäte, der politischen Parteien und politischen Vereinigungen sowie Versammlungen und Demonstrationen, sind strengstens verboten."
In einer live übertragenen Fernsehansprache verteidigte Präsident Yoon den drastischen Schritt mit der Bedrohung durch Nordkorea und den innenpolitischen Blockaden durch die oppositionelle Mehrheit im Parlament. Diese habe die Regierung "gelähmt" und keine Rücksicht auf die Interessen der Bevölkerung genommen. Die Opposition hatte zuvor eine abgespeckte Version des Haushaltsentwurfs verabschiedet und damit eine Eskalation mit der Regierung ausgelöst.
Yoon warf dem Parlament vor, "ein Zufluchtsort für Kriminelle" zu sein und die demokratische Ordnung zu gefährden. Kritiker sehen die Lage jedoch anders: Der Präsident nutze den Konflikt um den Haushalt als Vorwand, um den Einfluss der Opposition zu zerschlagen.
Die Entwicklung hat international Besorgnis
ausgelöst. Das Kriegsrecht ist eine beispiellose Maßnahme in einer
Demokratie wie Südkorea, die bisher als stabiles Bollwerk gegen die
Diktatur im Norden galt. Menschenrechtsorganisationen und Beobachter
warnen vor einem massiven Rückschritt für die liberale Ordnung in der
Region. ozd / afp
OZD-Kommentar
Putsch in Zeitlupe: Südkoreas Demokratie in Gefahr
Die Verhängung des Kriegsrechts in Südkorea ist ein Schockmoment für die Demokratie in Ostasien. Präsident Yoon Suk Yeol hat mit der Abriegelung des Parlaments und der Unterdrückung politischer Aktivitäten eine rote Linie überschritten. Die Begründung, die Maßnahme diene dem Schutz vor Nordkorea, wirkt fadenscheinig – vor allem, da der eigentliche Auslöser ein innenpolitischer Streit über den Haushalt ist.
Dieser Schritt erinnert an die düstersten Zeiten militärischer Herrschaft in Südkorea. Die Kontrolle über Medien und politische Aktivitäten ist ein direkter Angriff auf die Grundpfeiler einer liberalen Demokratie. Yoons Vorgehen könnte ein Präzedenzfall sein, der weit über Südkorea hinaus Auswirkungen hat: Autoritäre Führer weltweit könnten es als Blaupause nutzen, um mit einem Vorwand die Macht zu zentralisieren und Kritiker zum Schweigen zu bringen.
Die nächsten Tage werden entscheidend sein. Internationaler Druck, insbesondere aus den USA, dürfte zunehmen. Innerhalb Südkoreas könnten Proteste aufflammen, die Yoons Machtkalkül ins Wanken bringen. Doch jede Eskalation birgt das Risiko, dass das Regime die Maßnahmen weiter verschärft und die Demokratie nachhaltig geschwächt wird.
ozd
Biographien und Erklärungen
Wer ist Yoon Suk Yeol?
Yoon
Suk Yeol ist seit 2022 Präsident von Südkorea. Der konservative
Politiker war zuvor Generalstaatsanwalt und trat mit einem Programm für
wirtschaftliche Reformen und eine härtere Haltung gegenüber Nordkorea
an. Kritiker werfen ihm autoritäre Tendenzen vor.
Wer ist Park An Su?
Park
An Su ist der von Präsident Yoon eingesetzte Befehlshaber des
Kriegsrechts. Über seine bisherige Laufbahn sind nur wenige Details
bekannt, jedoch steht er für die Durchsetzung von Yoons radikalen
Maßnahmen.
Was ist das Kriegsrecht?
Kriegsrecht
bedeutet die Übertragung aller legislativen, exekutiven und judikativen
Befugnisse an die militärische Führung. In Demokratien ist es eine
Ausnahme- und Notstandsregelung, die in der Regel auf Zeiten äußerster
Gefahr beschränkt bleibt.
ozd
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP