-- Es gilt das gesprochene Wort --
Seit 2008 beteiligen sich deutsche Soldatinnen und Soldaten an der Marineoperation ATALANTA. Im Namen der Europäischen Union leisten sie einen wichtigen Beitrag zu Sicherheit und Stabilität am Horn von Afrika. Auch während der Corona-Pandemie erfüllt ATALANTA zuverlässig ihren Auftrag: den Seeraum zu schützen und die Piraterie zu bekämpfen. „Welche Piraterie?“ mögen Sie vielleicht fragen. In der Tat sind die Attacken selten geworden. Die letzte fand im April 2019 statt: Somalische Piraten kaperten damals ein jemenitisches Fischerboot und griffen damit – erfolglos – ein spanisches und ein koreanisches Fischereischiff an. ATALANTA schaltete sich ein:
Mit Unterstützung des deutschen Seefernaufklärers stellte eine spanische Fregatte das gekaperte Schiff, befreite die festgehaltenen Besatzungsmitglieder und übergab die fünf festgenommenen Piraten zur Strafverfolgung an die Seychellen. Sie sehen also: ATALANTA wirkt – nicht zuletzt dank der deutschen Beteiligung. Es gibt viele Entwicklungen, die uns durchaus Mut machen, aber für Entwarnung ist noch zu früh. Erstens sind die somalischen Piraten ja nicht verschwunden. Ihre kriminellen Netzwerke haben sich bloß umorientiert auf andere Geschäftsfelder, wie den Schmuggel von Waffen und Drogen, Schleuser- und Schlepperaktivitäten.
Aber
sie werden wieder gegen Schiffe losschlagen, sobald Wachsamkeit und
Engagement der internationalen Gemeinschaft nachlassen. Damit bleiben
sie eine Bedrohung, der sich ATALANTA weiter entgegenstellen muss.
Zweitens
ist entscheidend, wem ATALANTA Schutz gewährt: vor allem den
Seetransporten des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen. Seit
Beginn der Operation vor zwölf Jahren wurden zwei Millionen Tonnen
Nahrungsmittel sicher nach Somalia geliefert. Denn vergessen wir nicht:
Somalia zählt nach wie vor zu den größten humanitären Krisengebieten
weltweit! Es liegt auch in unserer Verantwortung, eine weitere
humanitäre Katastrophe zu verhindern.
Schon
seit Monaten leidet die Region am Horn von Afrika unter einer massiven
Heuschreckenplage. Aufgrund der Wetterlage rechnen Expertinnen und
Experten innerhalb der nächsten Wochen mit einer massiven Ausbreitung
der Heuschreckenschwärme um den Faktor 400. Dies wird dramatische Folgen
haben: allein in Somalia werden mehr als 5 Millionen Menschen
humanitäre Hilfe benötigen. Hinzu kommen die Auswirkungen der
Corona-Pandemie, die sich derzeit noch gar nicht absehen lassen.
Durch
den Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms trägt ATALANTA dazu
bei, Menschenleben zu retten. Und verhindert letztlich, dass soziale Not
und Perspektivlosigkeit den kriminellen und terroristischen Gruppen
neue Anhänger zutreiben.
ATALANTA bekämpft nicht nur Symptome, sondern
auch ihre Ursachen.
Selbstverständlich
kann Somalia nicht alleine durch eine EU-Marineoperation befriedet und
stabilisiert werden. ATALANTA ist aber ein zentrales Instrument der
Europäischen Union, mit dem wir dort zu Wiederaufbau und
Krisenprävention beitragen. Auch unser Land engagiert sich substantiell,
damit Somalia die Folgen des jahrzehntelangen Bürgerkriegs bewältigen
kann: im Team der EU und der Vereinten Nationen, aber auch bilateral.
Die
Bedingungen unseres Engagements sind weiterhin denkbar schwierig: die
staatlichen Strukturen bleiben fragil, der Sicherheitssektor befindet
sich noch im Aufbau, die Zentralregierung hat über weite Teile des
Landes keine Kontrolle.
Die Entwicklung Somalias zu einem friedlichen und stabilen Staat erfordert einen langen Atem. Sie erfordert Beharrlichkeit, um nicht die bisherigen Erfolge wieder zu gefährden. Nur so kann auch dem miesen Geschäftsmodell der Piraterie die Grundlage entzogen werden.
Und
schließlich verdeutlicht ein Blick auf die Landkarte, worum es bei
ATALANTA geht. Ihr Einsatzgebiet umfasst kritische Nadelöhre des
internationalen Seeverkehrs. Es ist mit 8 Millionen Quadratkilometern
fast so groß wie Europa. ATALANTA sichert diesen Seeraum aktuell mit
zwei Fregatten und zwei Seefernaufklärern – davon einer von der
Bundesmarine.
Und
eines ist mir besonders wichtig: Die Operation ist gelebte europäische
Teamarbeit.
Derzeit sind 17 EU-Mitgliedstaaten beteiligt, dazu kommen
mit Serbien und Montenegro zwei Beitrittskandidaten. Und die EU ist bei
weitem nicht der einzige Akteur in der Region. Insgesamt sind mehr als
30 Nationen am Horn von Afrika zeitweise oder dauerhaft mit
Marineeinheiten präsent, darunter die USA, Japan, Indien und China.
All
diese Staaten eint ein gemeinsames Ziel: die Sicherheit einer der
wichtigsten Handelsroute der Welt zu gewährleisten. Daher sieht das
Operationskonzept von ATALANTA vor, mit den Partnern vor Ort noch enger
zusammenarbeiten. Dieses maritime Teamspiel schafft Vertrauen auf allen
Seiten – auch bei den Anrainerstaaten, die uns nachdrücklich bitten,
weiterhin militärisch in der Region präsent zu bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch
mit ATALANTA stellt die EU ihre strategische Handlungsfähigkeit unter
Beweis. Daran wollen wir weiter als verlässlicher und engagierter
Partner mitwirken. Denn die Freiheit des Welthandels zu bewahren, ist
ein Kerninteresse Europas – und Deutschlands, das als eine führende
Exportnation diese Freiheit ganz besonders braucht.
Ich bitte Sie deshalb im Namen der Bundesregierung um Ihre Zustimmung zur Fortsetzung der deutschen Beteiligung an Operation ATALANTA.