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Hama in Gefahr: Dschihadisten und Rebellen drängen auf die syrische Stadt

Aktivisten berichten, dass die Dschihadistengruppe HTS kurz davor ist, die syrische Stadt Hama einzunehmen. Die Situation spitzt sich zu, während tausende Menschen vor den Kämpfen fliehen

In Syrien spitzt sich die Lage in der viertgrößten Stadt Hama zu: Kämpfer der Dschihadistengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) stehen nach Angaben von Aktivisten nun kurz vor der Einnahme der Stadt. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OSDH) meldete, dass HTS-Kämpfer „nun vor den Toren der Stadt Hama“ stehen würden. Zudem hätten sie bereits mehrere Stadtviertel bombardiert. Die Kämpfe haben eine massive Vertreibungswelle ausgelöst, und zahlreiche Familien fliehen in den Süden der Provinz oder weiter in die benachbarte Provinz Homs. Auch aus dem Westen und Norden der Provinz sind „Dutzende Familien“ vor den Kämpfen auf der Flucht.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete am Dienstagabend, dass „große militärische Verstärkungen“ in die Stadt Hama eingetroffen seien, um die Truppen an der Frontlinie zu unterstützen. Diese Verstärkungen sollen allen Angriffen der Dschihadisten entgegenwirken. Laut weiteren Angaben aus Armeekreisen seien die syrischen Streitkräfte bereits „am Rande der Stadt“, um die von den bewaffneten Gruppen besetzten Gebiete zurückzuerobern.

Kameraaufnahmen der Nachrichtenagentur AFP zeigten heftige Kämpfe zwischen den Rebellen und den syrischen Regierungstruppen etwa 20 Kilometer nordwestlich von Hama, in der Region Halfaja. Der Konflikt, der am vergangenen Mittwoch mit einer überraschenden Großoffensive von HTS und verbündeten Rebellengruppen gegen die syrische Regierung begann, hat mittlerweile auch Auswirkungen auf andere Regionen Syriens. In der Offensive gelang es den Kämpfern, viele Ortschaften und sogar die Millionenstadt Aleppo nahezu vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Gleichzeitig gab es Angriffe von pro-türkischen Kämpfern auf kurdische Milizen im Nordosten des Landes.

HTS, die aus der Al-Nusra-Front hervorgegangen ist, einem syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, hat nach eigenen Angaben jedoch seit 2016 keine Verbindungen mehr zu Al-Kaida. Die bislang dokumentierten Verluste im aktuellen Konflikt sind hoch: Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bereits mindestens 602 Menschen getötet, darunter 104 Zivilisten. Seit Beginn der Kämpfe sind nach Angaben der UN fast 50.000 Menschen auf der Flucht.

Die Einnahme von Hama durch die Dschihadisten und Rebellen könnte für die Assad-Regierung eine ernsthafte Bedrohung darstellen. Hama war zu Beginn des Bürgerkriegs ein wichtiges Zentrum der Opposition gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad. Die Region um Hama, insbesondere die ländlichen Gebiete westlich der Stadt, ist ein Wohnort vieler Alawiten – der Glaubensrichtung, der auch Präsident Assad und viele Mitglieder seines Regimes angehören. Laut dem Chef der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, würde die Einnahme von Hama „eine Bedrohung für die Basis des Regimes in der Bevölkerung“ darstellen.

OZD / ©AFP

OZD-Kommentar: 

Die Gefahr einer Wende – HTS' Vormarsch auf Hama und die Zukunft des syrischen Regimes

Der Vormarsch der Dschihadistengruppe HTS auf die strategisch wichtige Stadt Hama markiert einen dramatischen Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg. Mit der fast vollständigen Kontrolle über Aleppo und der Offensive auf Hama dürfte das Assad-Regime gezwungen sein, schwerwiegende militärische und politische Entscheidungen zu treffen. Sollte Hama tatsächlich in die Hände der Rebellen fallen, könnte dies nicht nur die militärische Lage im Land destabilisieren, sondern auch das Vertrauen der Alawiten, der Glaubensgemeinschaft von Assad, untergraben. Hama stellt einen symbolischen wie strategischen Punkt dar, und der Verlust dieser Stadt könnte das Regime nachhaltig schwächen.

Die bisherige Reaktion der syrischen Regierung mit verstärkten Truppen und militärischen Einsätzen deutet darauf hin, dass eine Rückeroberung der Stadt oberste Priorität hat. Doch in Anbetracht der militärischen und geopolitischen Komplexität des Konflikts könnte ein langwieriger Guerillakrieg folgen, der sowohl das Land als auch die gesamte Region weiter destabilisieren würde.

Die nächsten Wochen werden entscheidend sein. Sollte es den Rebellen gelingen, Hama einzunehmen, könnte dies das Vertrauen in die Assad-Regierung weiter erschüttern und möglicherweise zu einer breiten Unterstützung für die Oppositionskräfte in anderen Teilen Syriens führen.

Die militärische Lage in Syrien bleibt angespannt, und Hama könnte der entscheidende Punkt werden, an dem sich das Kräfteverhältnis zugunsten der Rebellen verschiebt – mit weitreichenden Folgen für das Regime von Baschar al-Assad und die gesamte Region.

Biographien und Erklärungen

Wer ist Hajat Tahrir al-Scham (HTS)?
Hajat Tahrir al-Scham (HTS) ist eine dschihadistische Miliz, die 2017 aus der Al-Nusra-Front hervorging, einem syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. HTS hat sich seit 2016 von Al-Kaida getrennt, doch viele ihrer Kämpfer und Führer sind ehemalige Mitglieder des Al-Nusra-Netzwerks. Die Gruppe operiert hauptsächlich im Nordwesten Syriens und ist für zahlreiche Angriffe auf syrische Regierungstruppen verantwortlich. HTS ist stark in der Provinz Idlib präsent, wo sie die Kontrolle über mehrere Gebiete hält.

Was ist die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OSDH)?
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OSDH) ist eine in Großbritannien ansässige Organisation, die Informationen über den syrischen Bürgerkrieg sammelt. Sie bezieht ihre Daten aus einem Netzwerk von Quellen in Syrien und ist eine der wichtigsten Informationsquellen für Nachrichten über die Entwicklungen im Land. Die OSDH wurde 2006 gegründet und berichtet regelmäßig über Opferzahlen und andere wichtige Ereignisse im syrischen Konflikt. Weitere Informationen finden Sie auf ihrer Website.


Foto: AFP

Alle Angaben ohne Gewähr.