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Wölfe bald einfacher zu jagen? Änderung der Berner Konvention sorgt für Aufregung

Die Berner Konvention hat beschlossen, den Schutzstatus des Wolfs in Europa zu senken. Dies könnte den Weg für schnellere Abschüsse freimachen. Was bedeutet dieser Schritt für den Naturschutz und die Landwirtschaft?

Die Unterzeichnerstaaten der Berner Konvention haben in einer wichtigen Entscheidung den Schutzstatus des Wolfs herabgesetzt, was die Möglichkeit für einen schnelleren Abschuss der Tiere schaffen könnte. In einer Sitzung am Dienstag stimmte die notwendige Zweidrittelmehrheit der Länder für die Absenkung des Schutzstatus von „streng geschützt“ auf „geschützt“. Diese Entscheidung ist ein erster Schritt hin zu einer Änderung der EU-Gesetze, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen würde, die Jagd auf Wölfe in bestimmten Fällen zu erleichtern.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte den Beschluss und bezeichnete ihn als „wichtige Nachricht für unsere ländlichen Gemeinden und Landwirte“. Sie betonte, dass ein „ausgewogener Ansatz“ zwischen der Erhaltung der Wildtiere und dem Schutz der landwirtschaftlichen Lebensgrundlagen notwendig sei. Der Wolf, der in den vergangenen Jahren zunehmend Weidetiere wie Schafe und Ziegen gerissen hatte, ist nun nicht mehr so stark geschützt wie zuvor – dies, nachdem unter anderem auch von der Leyens Pony Dolly einem Wolfsangriff zum Opfer fiel.

In der Vergangenheit war der Abschuss von Wölfen nur dann erlaubt, wenn sie eine direkte Gefahr für Menschen oder Weidetiere darstellten. Oft mussten die Behörden auf Ergebnisse von DNA-Analysen warten, was in der Praxis zu Verzögerungen führte. Mit der Herabsetzung des Schutzstatus wird nun ein sogenanntes Bestandsmanagement möglich. Wölfe bleiben zwar weiterhin geschützt, doch ihre Jagd wird in bestimmten Fällen erleichtert.

Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung und stellte fest: „Mehr Wölfe können zu mehr Rissen von Schafen oder Ziegen auf der Weide führen.“ Diese Entwicklung sei eine große Belastung für Weidetierhalter. Durch den niedrigeren Schutzstatus könne es nun gelingen, sowohl die Wölfe zu schützen als auch ihre Verbreitung zu kontrollieren.

Im Gegensatz dazu kritisierte die Umweltorganisation WWF den Beschluss scharf. Die Leiterin des Wildtierprogramms beim WWF, Sybille Klenzendorf, erklärte, dass „das wirksamste Mittel zur Verringerung von Nutztierrissen“ ein effektiver Herdenschutz sei. Es bedürfe mehr Unterstützung für Tierhalter beim Bau von Zäunen und anderen Schutzmaßnahmen, um Konflikte mit Wölfen zu minimieren – anstatt einfach auf die Jagd zu setzen.

Zudem warnten Umweltverbände, dass die Absenkung des Schutzes für Wölfe einen Präzedenzfall für andere Tiere wie Bären, Luchse oder Kormorane schaffen könnte. Während der Debatte hatte Bulgarien sogar gefordert, den Schutzstatus für Bären ebenfalls zu überprüfen, was jedoch von der EU-Kommission abgelehnt wurde.

Die Änderung der Berner Konvention, die jetzt durch die Mitgliedstaaten der Konvention verabschiedet wurde, ist jedoch noch nicht gleichbedeutend mit einer Veränderung der EU-Gesetze. Nach Inkrafttreten der Änderung im März nächsten Jahres wird die EU-Kommission konkrete Vorschläge für zukünftige Jagdregeln unterbreiten. Diese Vorschläge werden dann von den 27 EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament geprüft, was mehrere Monate in Anspruch nehmen könnte, bis die neuen Regeln tatsächlich umgesetzt werden.

OZD / ©AFP

OZD-Kommentar: 

Die neue Jagd auf den Wolf – Ein Schritt in die falsche Richtung?

Die Entscheidung, den Schutzstatus des Wolfs in Europa herabzusetzen, stößt auf gemischte Reaktionen. Auf der einen Seite wird dies als notwendiger Schritt angesehen, um die Interessen von Landwirten und ländlichen Gemeinschaften zu schützen, die zunehmend unter Wolfsrissen leiden. Auf der anderen Seite sehen Naturschützer diesen Schritt als gefährlichen Präzedenzfall, der langfristige Auswirkungen auf die Artenvielfalt und den Wildtierschutz haben könnte.

Das Problem, das diese Entscheidung anspricht – der Umgang mit den wachsenden Wolfspopulationen und den Konflikten mit der Landwirtschaft – ist real. Doch die Lösung scheint in der Schaffung von effektiveren Herdenschutzmaßnahmen und nicht in der Bekämpfung des Tierschutzes zu liegen. Die Europäische Union und die nationalen Regierungen sollten hier nicht in Versuchung geraten, ein einfaches „Weg mit dem Wolf“-Modell zu unterstützen, sondern auf innovative Schutzmaßnahmen setzen, die sowohl den Tieren als auch den Menschen zugutekommen.

Die Frage bleibt, ob diese Entscheidung tatsächlich den gewünschten Erfolg bringt oder ob sie zu einer weiteren Eskalation der Konflikte führen wird. Bis eine endgültige Lösung gefunden wird, wird der Wolf wohl ein umstrittenes Thema bleiben – und der Dialog zwischen Naturschutz und Landwirtschaft wird weiterhin dringend erforderlich sein.

OZD-Kommentar: Die Entscheidung, den Wolf schneller abschießen zu dürfen, könnte in Zukunft nicht nur den Bestand des Wolfs, sondern auch den der anderen Wildtiere gefährden. Die EU sollte die langfristigen Folgen dieser Entscheidung genau im Blick behalten.

Biographien und Erklärungen

Wer ist Ursula von der Leyen?
Ursula von der Leyen ist die Präsidentin der Europäischen Kommission, die Exekutive der Europäischen Union. Sie wurde 2019 in dieses Amt gewählt und war zuvor unter anderem als deutsche Verteidigungsministerin tätig. Ihre Politik ist geprägt von einem Fokus auf europäische Zusammenarbeit und Klimaschutz.

Wer ist Cem Özdemir?
Cem Özdemir ist ein deutscher Politiker und Mitglied der Grünen Partei. Er ist seit Dezember 2021 Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft und setzt sich für nachhaltige Landwirtschaft und den Schutz von Tieren und Natur ein.

Was ist die Berner Konvention?
Die Berner Konvention ist ein internationales Abkommen, das den Schutz von wildlebenden Tieren und Pflanzen sowie ihrer Lebensräume in Europa fördert. Sie wurde 1979 unter der Schirmherrschaft des Europarates verabschiedet und wird von zahlreichen europäischen Ländern sowie einigen weiteren Staaten unterstützt.

Foto: AFP

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