Hilfsorganisationen haben das Auslaufen des Bundesaufnahmeprogramms für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan scharf kritisiert. In einer gemeinsamen Erklärung warnten 26 Organisationen, darunter Amnesty International, die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Anwaltverein und Reporter ohne Grenzen, vor den "fatalen Konsequenzen" dieser Entscheidung. Die Beteiligten wurden in der vergangenen Woche darüber informiert, dass bis zu den kommenden Neuwahlen keine neuen Aufnahmezusagen mehr ausgesprochen werden sollen.
„Tausende Menschen werden nun voraussichtlich mitten im Verfahren in einer extrem prekären Situation zurückbleiben“, erklärten die Organisationen. Das Programm war ursprünglich darauf ausgerichtet, bis zu 36.000 besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen eine dauerhafte Aufnahme in Deutschland zu ermöglichen. Doch die Zahl der tatsächlich aufgenommenen Menschen liegt derzeit bei etwa 864 – weit unter der Zielvorgabe.
"Es darf nicht sein, dass dieses Programm bei der Aufnahme von nur rund 3000 Personen endet", forderten die Organisationen. Besonders betroffen sind diejenigen, die bereits vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geprüft und kontaktiert wurden und noch auf ihre Aufnahme warten. Diese Menschen befinden sich nun in einer besonders unsicheren Lage – viele von ihnen in Afghanistan oder in den benachbarten Staaten wie Pakistan.
Das Bundesinnenministerium bestätigte, dass „im Moment keine neuen Fälle bearbeitet werden“ und dass es sich nun darauf konzentriere, bereits zugesagte Aufnahmen umzusetzen. Für Hilfsorganisationen wie Kabul Luftbrücke ist diese Entscheidung ein gravierender Fehler. "Obwohl der Haushalt 17.000 weitere Aufnahmezusagen abdeckt, wird nun kein neuer Fall mehr berücksichtigt", erklärte die Organisation am Donnerstag.
Die Kritik kommt auch aus der Union. Alexander Throm (CDU), der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, bezeichnete das Programm als „gescheitert“ und erklärte, es sei „von Anfang an zum Scheitern verurteilt“ gewesen. „Das Programm war schlecht umgesetzt und hat unzählige Millionen Euro Steuergelder verschlungen“, sagte Throm gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Für ihn war es ein Fehler, „tausende Menschen nach Deutschland holen zu wollen, die keinen Bezug zu unserem Land hatten und bei denen wir keine Verpflichtung eingegangen sind“.
Die Diskussion über das Programm ist ein weiteres Beispiel für die schwierige Balance zwischen humanitärer Hilfe und politischer Realität. Ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban 2021 war das Bundesaufnahmeprogramm ins Leben gerufen worden. Es sollte besonders gefährdete Afghanen, darunter Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Frauenrechtlerinnen, vor den repressiven Maßnahmen der Taliban schützen. Doch nun, mit dem Auslaufen des Programms, steht die Zukunft vieler gefährdeter Menschen auf der Kippe.
Die Frage bleibt, wie Deutschland, und auch künftige Regierungen, mit der dramatischen Lage in Afghanistan umgehen werden. Ein schnelles Handeln bleibt gefragt, um weiteren Leidensdruck zu verhindern.
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OZD-Kommentar:
Fehlende Perspektiven: Das Dilemma des Bundesaufnahmeprogramms
Die Entscheidung, das Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghanen auslaufen zu lassen, wird sich noch als problematisch erweisen. Nicht nur, dass tausende Menschen, die in die Warteschleife geraten sind, nun ohne Hilfe dastehen – auch das Vertrauen in die Fähigkeit der deutschen Politik, humanitäre Verantwortung zu übernehmen, könnte nachhaltig beschädigt werden. Die Hilfsorganisationen haben recht, wenn sie die "fatalen Konsequenzen" anmahnen. In den kommenden Wochen könnte sich die Situation weiter zuspitzen, besonders mit dem kalten Winter und der politischen Unsicherheit in Afghanistan. Ein Kurswechsel ist dringend nötig, um die verbleibenden Zusagen umzusetzen und sicherzustellen, dass Menschen in Not nicht weiter auf der Strecke bleiben.
Biographien und Erklärungen:
Wer ist Alexander Throm?
Alexander Throm ist ein deutscher Politiker der CDU und seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er ist bekannt für seine Positionen zu Innenpolitik und Migration und war als innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion maßgeblich an der Debatte über das Bundesaufnahmeprogramm beteiligt.
Was ist die Kabul Luftbrücke?
Die Kabul Luftbrücke ist eine Hilfsorganisation, die 2021 gegründet wurde, um besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan nach Deutschland zu bringen. Sie setzte sich dafür ein, die Evakuierung von Menschen, die vor der Taliban-Herrschaft fliehen mussten, zu organisieren.
Foto: AFP
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