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EU-Mercosur-Abkommen rückt näher – Doch Frankreich bleibt im Widerstand

Das EU-Mercosur-Abkommen könnte bald unterzeichnet werden, doch Frankreich und andere Länder stellen sich quer. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen drängt auf den Abschluss, während Macron und andere politische Akteure Widerstand leisten.

Das EU-Mercosur-Abkommen könnte endlich Realität werden. Nach Jahren der Verhandlungen steht die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay offenbar kurz bevor. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen traf am Donnerstag zu einem Gipfel der Mercosur-Staaten in Lateinamerika ein und äußerte sich optimistisch: „Die Ziellinie des EU-Mercosur-Abkommens ist in Sicht“, schrieb von der Leyen auf dem Onlinedienst X und kündigte an, diese nun zu überschreiten.

Das Abkommen, das seit 25 Jahren verhandelt wird, soll vor allem den Wegfall der meisten Zölle zur Folge haben und den Handel zwischen der EU und den Mercosur-Staaten erheblich ankurbeln. Die EU könnte so einen Markt von insgesamt 700 Millionen Menschen erschließen. Besonders profitieren dürften deutsche Unternehmen, darunter Autohersteller und die Chemieindustrie, die schon seit Jahren auf den Abschluss des Abkommens drängen. „Wir haben die Möglichkeit, einen Markt mit 700 Millionen Menschen zu schaffen“, so von der Leyen.

Doch nicht alle Mitgliedsstaaten der EU teilen diese Begeisterung. Besonders Frankreich erhebt vehemente Einwände gegen das Abkommen. Präsident Emmanuel Macron erklärte, dass der Vertragsentwurf in seiner aktuellen Form „inakzeptabel“ sei. Laut dem Elysée-Palast habe Macron von der Leyen in einem Gespräch erneut seine Ablehnung zum Ausdruck gebracht. Frankreich fürchtet vor allem negative Auswirkungen auf seine Landwirtschaft, etwa durch billigere Rindfleisch- und Geflügelimporte aus Südamerika, die die lokalen Märkte überschwemmen könnten. Umweltschützer warnen zudem vor den negativen Folgen für den brasilianischen Regenwald, dessen Rodung für den Anbau von Gen-Soja weiter zunehmen könnte.

Macron ist politisch in einer schwierigen Lage, da er kürzlich durch ein Misstrauensvotum im Parlament geschwächt wurde. Beobachter warnen, dass ein Abschluss des Abkommens in dieser Situation vor allem den populistischen Kräften in Frankreich zugutekommen könnte. Jordan Bardella, Vorsitzender des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), bezeichnete von der Leyens Vorgehen bereits als „Provokation“.

Neben Frankreich üben auch Polen und Italien Druck auf das Abkommen aus. Diese Länder befürchten ebenfalls Nachteile für ihre Bauern und werfen dem Vertrag vor, nicht ausreichend umweltpolitische Fragen zu berücksichtigen. Grünen-Politikerinnen wie Anna Cavazzini warnen sogar vor einer weiteren Destabilisierung innerhalb der EU, wenn von der Leyen das Abkommen gegen den Widerstand einiger Mitgliedsstaaten durchsetze.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock setzen jedoch auf einen schnellen Abschluss. Scholz forderte beim G20-Gipfel in Rio de Janeiro, das Abkommen nun „endlich fertig zu kriegen“. Doch auch innerhalb der Grünen gibt es Bedenken, dass der Klimaschutz und der Schutz des Amazonas-Regenwaldes stärker in den Mittelpunkt des Abkommens gestellt werden müssen. „Das wird die Instabilität und die Europaskepsis in Ländern wie Frankreich und Polen befeuern“, warnte Cavazzini.

Das Abkommen muss noch von allen EU-Mitgliedsstaaten sowie dem Europaparlament ratifiziert werden. Frankreich könnte laut Diplomaten versuchen, durch eine Sperrminorität, bei der vier Länder mit insgesamt 35 Prozent der EU-Bevölkerung hinter sich vereint werden, den Abschluss zu blockieren. In diesem Fall könnte Paris Unterstützung von Italien und Polen erhalten.

Am Samstag wird von der Leyen in Paris erwartet, wo sie sich mit Macron über das Thema austauschen und an der Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame teilnehmen wird.

OZD / ©AFP

OZD-Kommentar:
EU-Mercosur: Ein Abkommen im Dilemma zwischen Handel und Klimaschutz

Das EU-Mercosur-Abkommen steht auf der Kippe. Auf der einen Seite drängen die EU-Institutionen und die Wirtschaft auf einen schnellen Abschluss, um von den Vorteilen eines freien Handels mit über 700 Millionen Menschen zu profitieren. Auf der anderen Seite wächst der Widerstand, vor allem aus Frankreich und anderen Mitgliedsstaaten, die vor den negativen Auswirkungen auf die Landwirtschaft und den Umweltschutz warnen. Sollte es Ursula von der Leyen gelingen, den Widerstand zu überwinden, könnte dies einen großen politischen und wirtschaftlichen Erfolg für die EU bedeuten – allerdings nicht ohne Risiken, sowohl im Hinblick auf die interne EU-Stabilität als auch auf die Klimaziele.

Biographien und Erklärungen:

Wer ist Ursula von der Leyen?
Ursula von der Leyen ist seit Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission. Sie war zuvor Ministerin in verschiedenen deutschen Kabinetten und ist eine der führenden Politikerinnen der Europäischen Union. Weitere Informationen finden Sie auf der offiziellen Website: www.ec.europa.eu.

Was ist Mercosur?
Der Mercosur ist eine Wirtschaftsunion, die 1991 von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gegründet wurde. Ziel ist es, den Handel und die wirtschaftliche Integration der Mitgliedsstaaten zu fördern. Weitere Informationen finden Sie auf der offiziellen Website: www.mercosur.int.

Foto: AFP

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